Handsome Furs - Face control

Sub Pop / Cargo
VÖ: 13.03.2009
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Bitte lächeln

Dass Dan Boeckner nicht an die moderne Welt glaubt, weiß man spätestens seit "Apologies to the Queen Mary", dem Debüt seiner Band Wolf Parade. Und irgendwie kann man es ihm nicht verübeln, in einer Zeit, in der Facebook Nutzerdaten verschleudert, Freundschaften bei Myspace denen im richtigen Leben vorgezogen werden und man als Individuum gerade mal so viel Freiheit hat, dass es einem nicht langweilig wird. Zum Glück gibt es aber noch Handsome Furs, Boeckners gemeinsames Projekt mit Ehefrau Alexei Perry, das alle Jubeljahre spannende Reisetelegramme von seinen Tourneen in alle Herren Länder herumschickt. Und dabei einige erstaunliche Parallelen zieht. Titel wie "Nyet spasiba" und "Radio Kaliningrad" deuten es bereits an: Es geht diesmal in den Teil Europas, der einst als Ostblock bekannt war und vorrangig für Unfreiheit und Bevormundung des Einzelnen stand.

Dass diese aber auch im Rest der Welt omnipräsent ist, wissen Boeckner und Perry natürlich ganz genau und stellen auf "Face control" interessante Dinge zur allgegenwärtigen Überwachung gläserner Individuen auf Netzplattformen fest. Dazu passt der Drummachine-getriebene Sound des Duos - eine Art Fortführung von Wolf Parade mit erhöhtem Klirrfaktor, der die bekannten Stilmittel unter elektronischen Gesichtspunkten neu bewertet. Knurrende Gitarren, die sich subtil, aber bestimmt durch die Songs schlängeln. Gesang, der zwischen Quengeln und Enthusiasmus unterzugehen droht und sich trotzdem stets tapfer behauptet. Aber eben auch frostige Synthie-Dengelei und maschinelles Geschepper, bei dem Verschrobenheit vor Eingängigkeit geht. Da kann "Evangeline" noch so munter rumpeln und "I'm confused" vergleichsweise halsbrecherisches Uptempo mit frenetisch aufjaulender Gitarre koppeln: Wer trunkenen Indie-Rock mit kalter Suicide-Elektronik für nächtliche Kopfsteinpflaster kombiniert und es dabei auch noch versteht, gesellschaftlich relevante Aussagen zu machen, steht eben relativ allein auf weiter Tanzflur.

Da verzeiht man den Handsome Furs gerne, dass sie im zweiten Teil einige wenige Halbausfälle wie das zu übertriebener Schläfrigkeit neigende "Officer of hearts" verstecken. Zu diesem Zeitpunkt hat man dieses Album nämlich für seine konsequente Schräglage schon längst ins Herz geschlossen. Dass sich "All we want, baby, is everything" in der Melodieführung ein bisschen zu sehr bei New Orders "Temptation" bedient, sollte ebenfalls niemanden stören - außer New Order selbst, denen erst einmal eine Freigabe aus dem Kreuz geleiert werden musste, bevor es für den Song grünes Licht gab. Und dass sich Perry wenig später lächelnd mit dem Sechzehntel-Beat aus "Blue Monday" revanchiert, ist eins von vielen launigen Details eines Albums, auf dem Handsome Furs mal wieder aus wenig eine ganze Menge machen. Wie sich ein Lächeln beim Hören von "Face control" überhaupt empfiehlt. Womöglich wird man ja gerade fotografiert.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Evangeline
  • All we want, baby, is everything
  • I'm confused

Tracklist

  1. Legal tender
  2. Evangeline
  3. Talking Hotel Arbat blues
  4. Passport kontrol
  5. All we want, baby, is everything
  6. I'm confused
  7. White city
  8. Nyet spasiba
  9. Officer of hearts
  10. It's not me, it's you
  11. Thy will be done
  12. Radio Kaliningrad
Gesamtspielzeit: 38:48 min

Im Forum kommentieren

Deaf

2009-03-30 20:39:29

Danke für den Tipp, brauche wieder mal eine ordentliche Wichsvorlage. Idiot. ;-)

tom

2009-03-30 18:46:57

im booklet sind übrigens die titten von alexei zu sehen! leider ziemlich kleines bild, da würde sich wohl der griff zu LP lohnen...

georg

2009-03-16 18:45:51

Ich schließe mich mal der 8/10 an. Mein aktueller Favorit ist "Radio Kaliningrad". Das komplette Album gibt es übrigens gerade auf MySpace zu hören.

Pascal

2009-03-15 15:26:28

Achja, die Platte gefällt übrigens noch viel besser als anfangs angenommen. 8/10.

Pascal

2009-03-15 15:25:44

Ja, da waren in der Tat einige Exemplare dabei, bei denen man eine ruhige Hand walten lassen musste.Aber hey, in diesem Fall empfiehlt sich doch nun wirklich die LP, allein schon wegen Putin, der doch erst in LP-Größe richtig in Szene gesetzt wird;)

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