Dälek - Gutter tactics

Ipecac / Southern / Soulfood
VÖ: 30.01.2009
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Tot hören

Die Mauer musste weg: Dälek waren berühmt dafür geworden, zu berühmt. Leute fingen an, sich darauf zu verlassen, dass MC Dälek und Oktopus die beiden mit der maroden Wall of Sound sind, die HipHop-Gruppe mit My Bloody Valentine, Krautrock oder den Melvins in der Plattensammlung. Und das nervt natürlich. Auf "Abandoned language" verdünnten Dälek deshalb ihren Sound und setzten Schwerpunkte in Ambient und Verständlichkeit. Es war eine zaghafte, aber selbstbewusste Neuorientierung, nach der ihr fünftes Album "Gutter tactics" beinahe zwangsläufig wie eine Back-to-the-Roots-Platte klingen muss. Die Geräusche sind wieder fieser, die Dissonanzen größer und die Rätsel herausfordernder. Dälek haben mal nach draußen geguckt - und mauern sich jetzt wieder ein.

Es gibt keinen Grund, "Abandoned language" im Nachhinein zu zerpflücken, aber sein Nachfolger stellt schon mit dem Intro klar, dass diesmal ein rauerer Umgangston herrscht. "Blessed are they who bash your children's heads against a rock" bricht in 84 Sekunden die Cliff-Notes-Version der ersten 250 Amerika-Jahre übers Knie und leiht sich dafür eine Predigt von Skandal-Reverend Jeremiah Wright aus, über den schon Barack Obama fast gestolpert wäre. Ein vor allem atmosphärisch brillanter Eröffnungszug, der beinahe untergeht, weil schon der erste Übergang fließend passiert und das menschenleere Maschinendröhnen von "No question" als regelrecht klassicher Dälek-Track aus den Boxen quillt. "Gutter tactics" aber muss nicht immer über die Gewalt zum Song finden: Wenn in "We lost sight" gebrochene Melodieversuche gemacht werden, schieben sich auch Verletzlichkeit und Melancholie durch die Schusslinie.

Der Effekt droht erneut im Nebel unterzugehen, weil direkt dahinter die Endzeitvisionen des Titelstücks so wütend und vorantreibend entwickelt werden, dass keine Zeit zur Besinnlichkeit bleibt. "Gutter tactics" funktioniert natürlich mit voller Absicht so: Alleine im achtminütigen, erst systematisch zerräderten und schließlich resignierend abgeklatschten "Who Medgar Evers was" steckt genügend Stoff für den nächsten Black History Month - aber noch bevor man auf der Wikipedia-Seite des 1963 vom Ku Klux Klan ermordeten Bürgerrechtlers ankommt, hat einen schon "Street diction" mit dem straightesten und mitreißendsten Beat des Albums am Kragen. Erleichterung kann selbstverständlich auch der nicht bringen. Zwischen Abstraktion und Verschlüsselung rappt Dälek wieder ausschließlich für die Fortgeschrittenen.

So umgibt "Gutter tactics" das Gefühl einer Rückbesinnung ohne nostalgischen Nachgeschmack. Es hat einfach keine Zeit zu verlieren oder an solche Sentimentalitäten zu verschwenden und packt stattdessen eine weitere Umdrehung in den Schraubstock, in den Dälek die Köpfe ihrer Zuhörer einst mit dem Debütalbum "Negro necro nekros" eingespannt haben. Runde zehn Jahre hängt man da jetzt drin und fragt sich, wie oft das Wort "düster" noch gesteigert werden kann. "Gutter tactics" weiß auch keine definitive Antwort, ist aber der selbstsicherste Schritt Richtung Superlativ, den Dälek seit dem Augen öffnenden und Ohren flutenden HipHop-Mahnmal "From filthy tongue of gods and griots" geschafft haben. Wie gesagt: Es gibt keinen Grund, "Abandoned language" im Nachhinein zu zerpflücken. Außer seinen Nachfolger.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Blessed are they who bash your children's heads against a rock
  • Who Medgar Evers was
  • Street diction
  • Atypical stereotype

Tracklist

  1. Blessed are they who bash your children's heads against a rock
  2. No question
  3. Armed with Krylon
  4. Who Medgar Evers was
  5. Street diction
  6. A collection of miserable thoughts laced with wit
  7. Los Macheteros/Spear of a nation
  8. We lost sight
  9. Gutter tactics
  10. 2012 (The pillage)
  11. Atypical stereotype
Gesamtspielzeit: 50:24 min

Im Forum kommentieren

Wolffather

2009-02-17 00:23:38

Ok, habe jetzt 2 Durchgänge hinter mir... der erste war etwas anstrengend wegen den höheren Noise Anteilen im Vergleich zum Vorgänger, aber schon beim 2. kristallisieren sich langsam Details heraus, die Platte gefällt mir sehr gut und hat durchaus Wachstumspotential... bin sehr zufrieden, der Einstieg mit dem Intro und No Question ist gleich sehr geil und auch Street Diction und Gutter Tactics sind zunächst als Highlights zu verzeichnen

Third Eye Surfer

2009-01-31 03:22:26

Ich hab's jetzt nicht so eilig, da ich momentan eh nur beschränkt Zeit zum Musikhören hab und diese Zeit eher von meinem momentanen NIN Trip ausgefüllt wird. Haben will ich sie aber dann doch letztendlich.

Wolffather

2009-01-31 03:10:41

wundert mich auch... gibt es sieh im Laden denn? Hatte heute keine Zeit, will sie mir so schnell wie möglich holen

Third Eye Surfer

2009-01-31 03:08:46

Warum gibt's die eigentlich nicht bei Amazon?

shabooba

2009-01-23 17:56:52

das war auch nicht das, was ich an der Aussage lustig fand...eher die Tatsache, dass meiner einer nicht Dälek hört, weil er Industrial mit dicken beats will.

Das da Industrial, Shoegazing, Kraut und sonstwas für welche Einflüsse vorhanden sind will ich sicherlich nicht abstreiten.

Fand das in dem Kontext einfach nur etwas ulkig, ist aber nich böse gemeint (vor allem weil ich weiß, wie sehr dem guten cds23 NIN taugt).

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