Lindstrøm - Where you go I go too

Feedelity / Smalltown Supersound / Al!ve
VÖ: 15.08.2008
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Immer im Kreis

Natürlich ist der Ausdruck "New Grave" auf ewig die jämmerlichste Wortschöpfung, die jemals einem Musikjournalisten eingefallen ist - so schlimm, dass man "TripHop" schon wieder gut findet und sich über Neumodisches wie "Glum Rock" gar nicht erst ärgern will. Schwer erwischt hat es aber auch Hans-Peter Lindstrøm aus Norwegen: Seine Musik, die mit dem Album "Where you go I go too" erstmals eine breitere Öffentlichkeit erreicht, wird den Leuten gerade als Space- oder Cosmic-Disco erklärt und damit in eine Ecke gestellt mit einer kurzlebigen Szeneerscheinung aus den späten Siebzigern, die unter gleichem Namen lief und heute als Vorbote des Eurodance gilt. Man steckt da halt nicht drin - und kann es eigentlich auch keinem verübeln, der diesem Lindstrøm im letzten Jahr mit großen, verwunderten Augen gegenüberstand.

Weil, kurz gesagt: Ein zweites Album wie "Where you go I go too" hat es in 2008 nicht gegeben. Mit drei Tracks in 55 Minuten zieht Lindstrøm Joanna Newsom die langen Ohren lang, und das ist noch nicht mal das Besondere an seiner Platte. Was ein Song hier ist und werden kann, wo er her- und hinkommt, ohne ein einziges Mal den Computer zu verlassen, das ist das eigentliche Ereignis hier. "Where you go I go too" beginnt als sphärisches Endzeitrauschen, entwickelt daraus eine nervös geklöppelte, mit jeder Umdrehung komplexer und selbstbewusster werdende Melodie und gipfelt schließlich erstmals in einer Synthie-Schießerei, die sich mit vollem Recht als Refrain des Ganzen versteht. Danach geht das Stück noch eine ganze Plattenseite weiter und vergisst darüber längst nicht nur die Zeit.

Lindstrøm brennt die futuristischen Effekte im Fünf-Minuten-Takt ab, bis er irgendwann bei Handclaps landet - der Übergang in "Grand ideas" funktioniert dann fließend und führt zum geschäftigsten Stück des Albums. Mehr noch als im überhaupt nicht schwierigen Opener wird hier deutlich, wie viel Pop in diesem Trance steckt: Wieder geht es auf engen Kreisbahnen der Leitmelodie entgegen, wieder gibt es Handclaps zum Festhalten, und wieder findet Lindstrøm den wortlosen Chorus, mit dem sich seine Tracks selbst unterteilen und nachvollziehbar machen. Was danach noch übrig bleibt von der Nacht, bringt "The long way home" zu einem logischen Ende. Auch wenn sich die letzte Viertelstunde von "Where you go I go too" fundamental von der ersten halben unterscheidet.

Lindstrøm wird noch mal mutiger - er löst das wiederum hektisch und perkussiv angefangene Stück in ausgewachsene Lounge-Musik auf, die für sich allein genommen wahrscheinlich unfassbar ärgerlich wäre, aber nach so viel schwerelosem Tanz genau den richtigen Ton trifft. So erklärt sich auch der Titel von "Where you go I go too": Lindstrøm hat seine Hörer immer an der Hand, ist sich der Herausforderung eines 29-Minuten-Tracks zu jeder Zeit bewusst und führt einen deshalb mit intuitiven Richtungswechseln durch das Album. Man kann dabei viel lernen über das eigene Verhältnis zu Epik, Geduld und Computermusik, ohne auf der ganzen Platte ein einziges Wort zu hören. Lindstrøm setzt die Sprache aus und beruhigt mit grenzenloser Selbstsicherheit. Was auch immer hier passiert - er weiß es, kennt es und ist ihm immer um einige lange Minuten voraus.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Where you go I go too

Tracklist

  1. Where you go I go too
  2. Grand ideas
  3. The long way home
Gesamtspielzeit: 55:06 min

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peppey paloma

2009-01-16 16:46:11

entspannend und dahintreibend ist ja in ordnung, aber dann bitte trotzdem mit etwas mehr facetten und richtungswechseln. lieber eine lange entspannte autofahrt mit vielen leichten kurven und wechselnder landschaft, als eine lange autofahrt auf nahezu gerader strecke durch nen reinen nadelwald mit ein paar lichtungen.

verstehst du was ich mit "zu wenig drin" meine?
dieses dahintreibende und etwas abwechslung schließen sich ja nicht aus, eher im gegenteil: so wird vermieden, dass aus entspannung langeweile wird.

ich halte das album ja auch für grundsätzlich positiv, aber eben mit einigen abstrichen.

Mendigo

2009-01-16 16:20:02

7/10 würde ich auch vergeben, was ich aber durchaus für eine äußerst positive bewertung halte?

mr.pink

2009-01-16 16:14:27

in den 55 minuten ist einfach zu wenig drin.

..äh..aber genau das ist doch beabsichtigt. unglaublich entspannend und dahintreibend, wie lange nichts mehr. musik, die man kaum wahrnimmt und dennoch lernt zu lieben, irgendwie. könnte mich der pitchfork-9 beinahe anschließen.

tim

2009-01-16 16:06:25

zu cheesy irgendwie

peppey paloma

2009-01-16 15:57:53

irgendwie ist da nicht mehr viel gekommen. je nach stimmung 6 /10 bis 7 /10.
in den 55 minuten ist einfach zu wenig drin.

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