Reamonn - Reamonn

Island / Universal
VÖ: 07.11.2008
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Wie das war mit der 9/10

Wer so erfolgreich ist wie ich, der wird natürlich öfter gefragt: "Sag mal, wie war denn das bei Dir früher?" Gemeint ist: Als ich noch einen Kleinwagen hatte und den sogar selbst steuern musste. Als Plattentests.de noch einen weißen Hintergrund hatte. Als ich mir die Befriedigung noch vom Straßenstrich holte statt von meinem Backstage-Eingang. Als meine Kreditkarte noch ein Limit hatte. Als meine Karriere noch am Anfang stand. Die Frager fragen dann: "Hast Du irgendwelche Fehler gemacht, die Du heute zugeben würdest?" Und dann kommt mein großer Satz, den ich mit voller Lust sage: "Ich würde es heute anders machen. Aber ich bereue nichts!"

Also, wie war das damals? Plattentests.de war noch jung, gerade ein paar Monate alt, der Hintergrund noch nicht dunkelblau, und ich stolz, wenn überhaupt jemand meine Texte gelesen hat. Noch stolzer war ich, dass die Plattenfirmen langsam angefangen haben, uns Zeug zu schicken. Kurz zuvor war das noch unvorstellbar. Tonträger! Geliebte Musik! Für umsonst! Alles, was ich dafür machen musste, war darüber Texte zu schreiben, die damals eh noch keinen interessiert haben und - so dachte ich - wohl auch nie jemanden interessieren würden. Dass mir einer davon noch fast zehn Jahre später nachhängen sollte und ich eine Rezension in Ich-Form zur Selbstprofilierung-/aufklärung/-aufgabe nutzen müsste, konnte ich ja nicht ahnen.

Im Frühjahr 2000 also kam eine Kassette auf den Tisch. Ihr wisst schon, eine Kassette ist das mit dem Bandsalat drin aus den alten Filmen. So was war damals durchaus noch üblich. Die Musik stammte von einer Band namens Reamonn. Die supportete die seinerzeit schwer angesagte Band HIM auf deren großen Hallentour. Der Sänger sprach kaum Deutsch und war stolz wie Bolle, dass er das Wort "Scheiße" Richtung Publikum brüllen konnte. Und tat's daher ständig. Egal! Ich war schwer beeindruckt, ein Album von so einer aufstrebenden Band Wochen vor der Veröffentlichung hören zu dürfen. Und war noch beeindruckter von der Musik. Von "Swim"! Von "Supergirl"! Von "Josephine"! Von allem! Über Wochen hinweg! Ich hatte sogar ein Reamonn-Shirt in Grün, auf dem in silbernem Druck "Supergirl" stand und trug es mit Begeisterung. Obwohl es etwas zu klein war. Und ich gab dem Album "Tuesday" die Bewertung, die ich für richtig hielt: 9/10!

Die passende Rezension, die nicht gerade von großen Schreibkünsten, aber von großer Inbrunst zeugte, schickte ich an einen Vertrauten, der auch damals schon in wichtiger Plattentests.de-Position mit dabei war: Oliver Ding. Der Begriff "geistige Umnachtung" fiel schon in der ersten Mail, wirklich! Danach diskutierten wir über etliche Nachrichten hinweg, was wohl die beste Überschrift für den Text zu "Tuesday" sein könnte:

"Prodigy in some strange way"
"Superboys heben ab"
"Funkelnder irischer Sternenhimmel"
"Immer wieder dienstags"
"Mit Flugstunden in die Charts"
"Super, nicht Diesel"
"Vier Männer und ein Ire"
"Mit Vorschußlorbeeren und (jeder Menge) Selbstbewußtsein"

Ein Vorschlag griffiger als der andere! Und origineller! Am Ende wurde es aber "Tuesday night fever". Besser geht's ja nun wirklich nicht.

Über die Bewertung gab's natürlich nichts zu diskutieren. Oder etwa doch? Ach stimmt, irgendwann äußerte Oliver in einem Nebensatz die Bemerkung: "Ich kann Deiner Begeisterung nicht so ganz folgen." Er schränkte aber auch ein: "Da halte ich mich besser etwas raus." Ihr seht: Meine natürliche Autorität war schon damals sehr groß. Also ging die Rezension wenig später online. Ich weine ein paar wehmütige Krokodilstränen ins Champagnerglas und sage: Ja, so war das mit der 9/10!

(Ach, es gibt ein neues Reamonn-Album. Das fünfte mittlerweile. Aber ich dachte, ich schreib lieber was Interessantes.)

(Armin Linder)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Through the eyes of a child
  • Broken

Tracklist

  1. Faith
  2. Million miles
  3. Through the eyes of a child
  4. Free like a bird
  5. Goodbyes
  6. Set of keys
  7. Moments like this
  8. Aeroplane
  9. Open skies
  10. Broken stone
  11. Serenade me
  12. Broken
  13. It's over now
Gesamtspielzeit: 50:34 min

Im Forum kommentieren

Schlimmer Verdacht:

2018-12-20 15:28:29

Musikrezensenten haben sich Bewertungen jahrelang ausgedacht!

Alphex

2018-12-20 14:06:22

Redakteure, die Rezensionen schreiben, um zu zeigen, wie cool sie sind und wie doof die Band ist. Und über die Musik der Band dabei bestenfalls am Rande Silben verlieren. Naja.

Im Gegensatz zum Ox ist plattentests.de aber immerhin umsonst.

lüdgenbrecht™

2008-11-12 00:34:32

Beste Rezension? Häh?!?!?

Ja klar, "mal was anderes" und schon ganz witzisch geschrieben. Aber deshalb gleich die beste Rezension des Jahres bzw. gleich aller Zeiten?!?!?! Also, da hab ich hier schon ganz gehörig andere Kaliber auffahren sehn...

Demon Cleaner

2008-11-12 00:28:55

Gerade "Weep" vom 2. Album gehört. Was haben die mal für geniale Songs geschrieben....

Basti

2008-11-09 13:03:59

Neue Alben machen die alten ja nicht schlechter. Von dem her sehe ich die Wertung 9/10 nicht unbedingt so kritisch, warum also dafür rechtfertigen Armin?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum