Of Montreal - Skeletal lamping
Polyvinyl / CargoVÖ: 17.10.2008
Dear penis,
In einer an Tabubrüchen und Schockeffekten nicht gerade armen Karriere kam das letztjährige Of-Montreal-Album "Hissing fauna, are you the destroyer?" einem auf offener Straße vollzogenen Kopulationsakt zweier Schwuler in Utah gleich. Kevin Barnes, der erste angemalte, aufgeplusterte Frontmann aus Athens, Georgia, tat die eine Sache, die ihm nach Seifenblasenschlachten, Luftballonkämpfen und Konfettikanonen noch blieb: Er sang von sich selbst, nicht ungeschminkt natürlich, aber doch ausgesprochen ungeschönt. Szenen einer Ehe, Enden einer Ehe, Neuanfänge einer Ehe - und schließlich die intimste Of-Montreal-Platte überhaupt, auch wenn sie gleichzeitig im größten Chaos versank, das diese Band bisher veranstaltet hat. Die Dauerlatte, mit der nun "Skeletal lamping" durchs Leben läuft, sieht daneben vergleichsweise mickrig aus.
Barnes stülpt wieder Charaktere über, hier den transsexuellen Georgie Fruit, und aus dieser Perspektive soll nun der Sex zurück in den Rock gebracht werden - was allerdings schon daran scheitert, dass "Skeletal lamping" kein Rockalbum ist. Wenn sich die Gitarren am Ende des Cembalo- und Cheap-Shot-Openers "Nonpareil of favor" die besten Stücke aus dem Song herauspicken, kann man da noch auf die falsche Fährte geraten. Danach aber stolziert und klimpert die Platte durch blumig produzierte, vielschichtig arrangierte Funk- und Popsongs, in denen Instrumentenreichtum und Häutungsdrang ihr ganz persönliches Wettrüsten veranstalten, während fließende Übergänge um allgemeine Verwirrung bemüht sind. Ein klassisches Of-Montreal-Album also, nur sehr viel notgeiler als sonst.
Man wird da erstmals misstrauisch, wenn "Wicked wisdom" nach robustem Battle-Rap-Auftakt zum ersten von vielen Softporno-Liedern auf "Skeletal lamping" umschwenkt. Keine Frau allerdings kann so kurvig sein wie dieser Song; folgerichtig packt "For our elegant caste" noch eine Schippe Unverfrorenheit drauf und markiert das Revier der Platte zur schwer nötigen Flöte und "Lalala"-Zungen-Warmup: "You can call it softcore if you want / But you should know I take it both ways." Barnes verschwindet kurz im grob umrissenen, wundervollen Zwischenstück "Touched something's hollow", das hier nicht viel zu lachen hat - schon kurz danach schießen die Fanfaren wieder aus allen Rohren, "Gallery piece" leiert sich spitze Funkfiguren aus der Gitarre, und Barnes verliest eine Wunschliste, mit der man nicht mal dem Weihnachtsmann aus "Bad Santa" kommen dürfte.
"Skeletal lamping" wirft solche vergleichsweise geradlinigen Stücke immer wieder ein, um sich selbst nicht die Luft zu nehmen. Es kitzelt nur selten jenseits der Toleranzgrenze für Stuhl kippelnde Nervmusik, punktet vor allem durch smoothe Breaks und allgemeine Kunstfertigkeit und bringt mit "St. Exquisite's confessions" sogar einen verletzungsfreien Spagat zwischen Spermastau-Schmachtfetzen und ausgekühlter Robotermusik fertig. Deshalb das einzige Problem der Platte: Sie ist kein bisschen sexy, eher aufdringlich als verführerisch und betreibt zu viel Aufwand, damit am Ende die einzige Erkenntnis steht, dass der Sexualtrieb von Kevin Barnes nach wie vor sehr gesund ist. "I wanna know what it's like to be inside you" singt er einmal - nach "Skeletal lamping" hat man eine beängstigend genaue Vorstellung davon.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nonpareil of favor
- Gallery piece
- St. Exquisite's confessions
- ID engager
Tracklist
- Nonpareil of favor
- Wicked wisdom
- For our elegant caste
- Touched something's hollow
- An eluardian instance
- Gallery piece
- Women's studies victims
- St. Exquisite's confessions
- Triphallus, to punctuate!
- And I've seen a bloody shadow
- Plastis wafers
- Death is not a parallel move
- Beware our nubile miscreants
- Mingusings
- ID engager
Im Forum kommentieren
U.R.ban
2009-01-29 20:51:13
Ich war recht enttäuscht von dem Album, hat zwar gute Ansätze, ist insgesamt aber für meinen Geschmack viel zu klebrig. Dabei war der Vorgänger sooo toll.
6/10
Gordon Fraser
2009-01-29 17:55:14
Die Platte hat mir später dann noch deutlich besser gefallen, als es die obigen Kommentare vermuten lassen.
7/10
hört das keiner mehr?
2009-01-29 11:52:05
hört das keiner mehr?
roy
2008-10-21 11:45:27
Kommt mir persönlich fast ein bisschen schlecht weg hier, die Skeletal Lamping.
Ich mag sie sehr gerne, was durchaus erstaunlich ist, da ich seltener auf so hibbeliges Zeug stehe. Klar, oversexed ohne Ende, allerdings höre ich da jede Menge Ironie raus. Wicked Wisdom ist für mich eindeutig ein Hit... Und - Softcore hin oder her - die Produktion alleine würde für mich den Kauf des Albums rechtfertigen, der Bass ist wunderschön und die Räumlichkeit gigantisch.
Mich wundert ein wenig, warum The Darkness nicht in der Referenzen-Liste auftauchen. Ich könnt' mir gut vorstellen, dass der ein oder andere Fan auch Of Montreal mögen könnte.
Pascal
2008-10-17 14:34:21
Gut, so können wir hier wenigstens kontrollieren, ob Du auch fleißig bist;)
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