Patty Moon - Lost in your head

Traumton / Indigo
VÖ: 04.10.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ein Schlaf im Wolfspelz

Alfred Hitchcocks "Psycho" ohne den Nerven zerreißenden Score von Bernard Herrmann? Nicht dran zu denken. "Der Herr der Ringe" ohne die opulenten Kompositionen von Howard Shore? Kaum möglich. "Blair Witch Project" ohne die Musik … ja, von wem eigentlich? Dieser Film funktionierte nur, weil er auf den Gebrauch von dramaturgischer Musik verzichtete. Und stellt damit die absolute Ausnahme dar. Denn ansonsten gehören Filmmusik und Scores sowie deren Wirkung zu den manchmal unterschätzten Bausteinen eines guten Filmes. Nicht selten, weil sie unterschwellig wirken und sich nicht in den Vordergrund drängen. Doch jeder noch so guten Musik geht natürlich ein gutes Drehbuch voraus, eine Geschichte, die der Musik ihren Stoff liefert.

Und es ist tatsächlich eine berückend bedrückende Story, die sich Judith Heusch und Tobias Schwab alias Patty Moon für "Lost in your head" ausgedacht haben, und die von hinten nach vorne aufgerollt werden will: Eine junge Frau, nennen wir sie der Einfachheit halber Patty, verabschiedet in "Ready for the smell of snow" wie jeden Morgen ihren Ehemann, der zur Arbeit durch den verschneiten Wald gehen muss. Diesmal allerdings kehrt er nicht zurück. So sitzt Patty bis in die Nacht vor dem Fenster und starrt ins Gehölz, traut sich jedoch nicht alleine vor die Tür. So wartet sie und wartet, doch nichts geschieht. Um sich abzulenken, schreitet sie durch das Haus, nimmt das Akkordeon zur Hand und singt sich Mut zu ("Straight alone") oder lauscht der einsamen Spieluhr ("Hurt"). Tage vergehen, der Geliebte taucht nicht auf, und Patty scheint vollkommen die Fassung zu verlieren ob des Fotos ihres Mannes im güldenen Rahmen auf der Kommode ("Golden frame"). Gedankenlos wandert sie umher, isst nicht, schläft nicht ("Starving"). Plötzlich aber schnappt sie sich den warmen Mantel aus Wolfsfell ("Under my wolfskin"), rennt wie von Sinnen in den Wald und verläuft sich in der einsetzenden Dunkelheit. Der Schnee, seit jeher Symbol des Todes, fällt unaufhörlich, und Patty, völlig kraftlos und durchgefroren, setzt sich an die große Wurzel eines Baumes und schläft ein. Open end für Patty, und ihr Ehemann ward nie wieder gesehen.

Heusch und Schwab, die für den Nachfolger zu "Clouds inside" vier Jahre benötigten, lassen keinen Zweifel daran, dass diese lange Zeit bis zur Fertigstellung ihres Zweitlings berechtigt war. "Lost in your head" ist von vorne bis hinten ein geschlossenes Gesamtkonzept, ja, sogar eine kleines Kunstwerk geworden. Vom einsamen Coverdesign über die winterkalte Bookletgestaltung bis hin zu den Texten und zur Instrumentierung greift ein Rad ins andere und wird nur schöner und zugleich schauderhafter, je öfter sich die Platte in der Anlage dreht. Denn es sind nicht die großen, offensichtlichen Momente des Klaviers, sondern die kleinen versteckten elektronischen Spielereien, der Einsatz der Melodica, der schleppende Gebrauch der Percussioninstrumente, die "Lost in your head" vor Spannung beinahe explodieren lassen. Sollte je ein Regisseur einen guten Horrorstoff brauchen: Hier liegt er bereits vor. Und den großartigen Soundtrack gibt es gratis dazu.

(Kai Wehmeier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Lost in your head
  • Hurt
  • Straight together
  • Ready for the smell of snow

Tracklist

  1. Under my wolfskin
  2. Lost in your head
  3. Best for me
  4. Flapping monsters
  5. Your murderer
  6. Hurt
  7. Golden frame
  8. Deal
  9. Starving
  10. Time out
  11. Flood
  12. Straight alone
  13. Ready for the smell of snow
Gesamtspielzeit: 48:51 min

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  • Patty Moon (5 Beiträge / Letzter am 21.10.2017 - 20:54 Uhr)