Fleet Foxes - Fleet Foxes

Bella Union / Cooperative / Universal
VÖ: 08.08.2008
Unsere Bewertung: 9/10
9/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Vorgestern und Übermorgen

Sie halten Abstand und umringen sich gleichzeitig aufs Behutsamste. Wenn es auch nur selten zu Berührungen, geschweige denn zu Verschmelzungen kommt: Sie sind voneinander abhängig, selbst wenn sie sich des Öfteren als spinnefeind positionieren. Tradition und Moderne. Gestern, heute und morgen. Ihren Fängen entkommt man nicht, auch wenn es sie gibt, die Musiker, die mit jedem neuen Album die ultimative Zukunft ausrufen. Dabei torpedieren und verdrängen sie nur längst gelebte Vergangenheiten, mit dem Ergebnis eines glibberigen Breis aus unterschiedlichen Musikdekaden, der dann unter futuristisch-falscher Flagge unters Volk gebracht wird. Die Kehrseite der Medaille ist ebenso furchteinflößend wie verzichtenswert: unverrückbare Traditionalisten, die wie die Elster fremdes Gut ihr Eigen nennen.

Gefühlte neunundneunzig Hundertstel des Musikbuisness machen diese, meist lauthals verkündeten Extrempositionen aus. Und doch sprießen, wenn auch selten, Bands und Künstler aus dem besser gedüngtem Boden des Anspruchsvollen, die um ihre Einflüsse und geliebten Traditionen wissen, aber eben auch darauf bedacht sind, etwas Eigenes zu schaffen, was ihnen niemand nehmen kann, was ihrer ureigenen Persönlichkeit entspricht und sich so fein in das Komponierte einfügt, dass Tradition und Moderne tatsächlich für den Moment verwoben zu sein scheinen. Fleet Foxes aus Seattle haben mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum genau das geschafft.

Nicht klar ersichtlich ist sie in den ersten Augenblicken von "Fleet Foxes", diese sich nach und nach einschleichende Symbiose von Damals und Heute, von Einflüssen und Persönlichem, denn der Assoziationskasten im Hirn rotiert auf Hochtouren und weiß nicht wirklich, wo er mit seiner Erkundung beginnen soll. Einerseits sprudeln die unabdingbaren Referenzen wie Crosby, Stills, Nash & Young, The Beach Boys, The Zombies, Grizzly Bear oder frühe My Morning Jacket. Auf der anderen Seite stehen sie da, die langsam in die Höhe schießenden Giganten, in Person des hoch hymnischen Gesangs von Bandleader und Songwriter Robin Pecknold und der hintergründigen, vierköpfigen Gewalt an Mehrstimmigkeit, die immer wieder zu Epochalem ansetzt.

Dort, wo aber andere, mit stolzer Brust umherschreitende Giganten in ihrer Selbstverliebtheit und zur Schau gestellten, verkünstelten Überemotionalität Missgunst und Abscheu herausfordern, greift hier nach langsam reifenden Erkenntnissen die strahlende Symbiose. So offenbaren Fleet Foxes ein Grundgerüst von appalachisch inspiriertem, klassischem Folkrock, in sich gekehrtem Songwriting und sonnenstrahlendem Pop der Sixties. Immer wieder erfährt es ebenso zarte wie subtile rhythmische Erschütterungen, steht dann zauberhaft und erhaben still, um anschließend in neuem Gewand prachtvoll aufzugehen oder in Schönheit zu verblühen. Dabei sind diese Umschwünge nie in dem Sinne progressiv, dass man fragend flüchten möchte, sondern beschränkt auf ein wesentliches, minimalistisch agierendes Instrumentarium, das die Hymnen und die Stimmen auf dem Boden hält und ihnen gleichzeitig eine klare wie pure Reinheit verleiht.

Man höre "He doesn't know why", um sich dieser Tatsachen zu vergewissern - wie sich der Chor behutsam zu einem professionellen Intro erhebt, dann abebbt, um einer zu Herzen gehenden Pianoballade mit schnellem und eingänigen Rhythmus Platz zu machen. Psychedelische Spitzen reihen sich ein, die chorale Passage wird wiederbelebt, der Melodienfluss wird verdrängt von absolutem Stillstand. Nach kurzem Call-and-Response mit den energischen Drums ertönt das große Finale. Alles umfassend, dicht gestrickt und atemberaubend schön. Und es ist herzlich egal, wie weit man in dieser Platte auf und abläuft, man wird ihn nicht finden, den Haken, die Ausflucht, die Fehlkomposition. So lasse man sich von der Wechselwirkung zwischen minimalen Akzenten und Feierlichkeit der "White winter hymnal" oder von "Oliver James" hinreißen, verliere sich in der barocken Melancholie des "Tiger mountain peasant song" oder erlebe, wie das unscheinbare "Meadowlarks" sich langsam zu einer weitflächigen Hymne entfaltet. Immer wieder werden sie aufblitzen: das Wissen und die Verneigung vor den Einflüssen, fein gesponnen mit der ureigenen Persönlichkeit und den kompositorischen Ansprüchen der Moderne. Viel Spaß beim Suchen und Finden.

(Markus Wollmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • White winter hymnal
  • Tiger mountain peasant song
  • He doesn't know why
  • Oliver James

Tracklist

  1. Sun it rises
  2. White winter hymnal
  3. Ragged wood
  4. Tiger mountain peasant song
  5. Quiet houses
  6. He doesn't know why
  7. Heard them stirring
  8. Your protector
  9. Meadowlarks
  10. Blue ridge mountains
  11. Oliver James
Gesamtspielzeit: 39:11 min

Im Forum kommentieren

Rote Arme Fraktion

2016-09-02 20:47:12

Langzeitwirkung ist extremst gut. Kratzt an der 9/10.

Mainstream

2013-08-12 17:38:25

Lieber Sunbather hören.

Mainstream

2013-08-12 17:37:30

Irgendwie fand ich's einfach nur todlangweilig.

Flo

2011-04-27 21:30:02

Weil das jemand da rein geschrieben hat.

Azzarole

2011-03-12 13:05:34

Warum steht das in dem Thread zur s/t?

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