Spiritualized - Songs in A & E

Spaceman / V2 / Cooperative / Universal
VÖ: 27.06.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Accidents & emergency

Ehrlich, man will ja nicht schon wieder von den Drogen anfangen. Aber spricht es nicht zumindest für das Ironieverständnis des Schicksals, wenn einer wie Jason Pierce kurz vor knapp ins Krankenhaus kommt und Schuld daran eine schnöde Lungenentzündung ist? Es spricht, natürlich. Gut ist aber auch Pierce' Retourkutsche, der den beinahe fatalen Zwischenfall zum Anlass nahm, endlich mit der neuen Spiritualized-Platte fertig zu werden und das zugehörige Artwork von oben bis unten mit Spritzen zuzupflastern. Sozusagen. "A & E" kann dabei natürlich für alles stehen, was sich mit durchschnittlicher Phantasie in zwei Buchstaben und ein Sonderzeichen hineininterpretieren lässt. Wichtiger ist allerdings, dass die Platte ihren allzu formelhaften Vorgänger "Amazing grace" als fehlgeschlagenen Versuch einer Spiritualized-Best-Of mit neuen Songs abqualifiziert und Pierce zurück in der Spur zeigt. Es geht wieder aufwärts - wohin denn auch sonst bei diesem ewigen Himmelsstürmer?

"Songs in A & E" ist auf einer 80 Jahre alten Akustikgitarre geschrieben worden, und das allein reichte Pierce wohl schon, um sich diesmal jede Lust am rockmusikalischen Schwertransport auszutreiben. Die Platte und besonders seine Stimme wirken sehr zerbrechlich und verletzlich - dass "Songs in A & E" aber vor allem ein Album des Trotzes ist, unterstreicht das angenehm zerschossene "You lie you cheat", das sich im strammen Feedback-Wind an quengeligen Gitarrensoli und Doors-Orgeln abarbeitet. Davor und danach findet viel eigenwillige Lebensbejahung statt: Pierce feiert den Umstand, überhaupt noch da zu sein, und doch zeigt sich schnell, dass auf "Songs in A & E" noch sehr viel größere Wunder passieren werden.

"Sweet talk" etwa ist der beste Spiritualized-Song der Post-"We are floating in space"-Ära, eine sanfte Idee davon, wie sich Sufjan Stevens nach drei durchgesoffenen Nächten anhören könnte. Gezupfte und gestrichene Streicher, Panorama-Bläser und ein ungewöhnlich schüchterner Gospel-Chor bereiten sich auf ihren Lebensretter-Einsatz vor; es ist aber doch Pierce alleine, der sich hier aus dem Schlamassel singt. Auch "Death take your fiddle" lässt sich anschließend als songgewordene Grußbotschaft an die eigene jüngere Vergangenheit lesen. Pierce kokettiert mit lahmgelegten Todessehnsüchten und lässt den einzigen Song der Platte zu, der seine morbiden Hintergründe nicht mit Engelszungen und großem Hosianna überspielen will. Düsterer wird "Songs in A & E" danach nicht mehr - selbst wenn es sich eher pflichtbewusst als begeistert durch seinen kurzen Schweinerock-Teil jagen lässt.

"Yeah yeah" trägt seine Bestimmung bereits im Titel und tut wenig dafür, sich an den größeren Vorhaben des Restalbums zu beteiligen. Das bereits erwähnte "You lie you cheat" und "I gotta fire" kommen ihrer offensichtlichen Aufgabe, die Platte ein bisschen schmutzig zu machen, da bedeutend effizienter nach - als Gäste der Messe, die auf "Songs in A & E" gefeiert wird, muss man aber selbst sie zumindest unangemessen verhaltensauffällig finden. Ein Siebenminüter wie "Baby, I'm just a fool" lässt sich in seiner großformatigen Ekstase natürlich auch davon nicht mehr ausbremsen, und das abschließende Schlaflied "Goodnight goodnight" vertröstet den Sandmann so zärtlich wie niemand mehr seit den Beatles des weißen Albums. "I got a hurricane inside my veins / And I wanna stay forever" hatte Pierce in "Soul on fire", dem Signatur-Song des Albums, gesungen. Und so blumenwiesen-sektenmäßig es auch klingt: Seine Drogen sind diesmal Liebe und Leben.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sweet talk
  • Death take your fiddle
  • Soul on fire
  • Baby, I'm just a fool

Tracklist

  1. Harmony 1 (Mellotron)
  2. Sweet talk
  3. Death take your fiddle
  4. I gotta fire
  5. Soul on fire
  6. Harmony 2 (Piano)
  7. Sitting on fire
  8. Yeah yeah
  9. You lie you cheat
  10. Harmony 3 (Voice)
  11. Baby I'm just a fool
  12. Don't hold me close
  13. Harmony 4 (The old man...)
  14. The waves crash in
  15. Harmony 5 (Accordion)
  16. Borrowed your gun
  17. Harmony 6 (Glockenspiel)
  18. Goodnight goodnight
Gesamtspielzeit: 51:39 min

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