Russian Circles - Station
Suicide Squeeze / CargoVÖ: 06.06.2008
Schwarz-weiß
Wenn Adel verpflichtet, dann wohl sicher jener von Chicago: Obwohl geschätzte 99,9 Prozent des heutigen Post-Rock-Gehäufs die Extravaganz ihrer Urväter nicht im mindesten erreichen können oder wollen und stattdessen lieber dröge Psychedelic-Operetten mit maulfaulen Leadvocals hochjubeln, wird in "Post-City" Abgrenzung mittlerweile ebenso schwer und notwendig, wie das Dazugehören. Russian Circles stellen sich der selbstverschuldeten Stagnation des Genres, indem sie ihre Musik bei der Space-Opera abholen, um sie im Metal-Universum auszusetzen. Die Songs ihres Zweitwerks "Station" klingen dadurch dringlicher. Aber auch berechenbarer.
Entsprechend sind die besten Stücke des Albums eben jene, die mit ihren Energien haushalten und eine Entwicklungsgeschichte erzählen. "Verses" etwa beißt von innen heraus, schnappt nach Luft, hält Körperspannung und Melodie. Hier ziehen sich Russian Circles in den blanken Bombast-Rock der Marke Mono zurück. Und verweigern etwa in "Xavii" und "Campaign" den Ausbruch gar ganz - obwohl die Akkorde irgendwann so schön schrubbeln wie zuletzt bei Mogwais "X-mas steps" oder vor sich hin hoppeln wie bei den frühen Tristeza. Stilistisch vielleicht ein Rückschritt, gehen diese Songs dennoch absolut auf.
Zugleich komplexer und eindeutiger zeigt sich "Station", wenn Russian Circles die Metal-Keulen auspacken. Was ihnen hierbei allerdings abgeht, ist vor allem die gespielte Leichtigkeit, aber auch der blankziehende Wahnsinn, den Oxes oder Don Caballero anzurichten wussten. Stattdessen entscheiden sich die Arrangements von "Station" zwischen Math- und Post-Rock zunächst für zweiteres. Und nutzen Metal als Übergang. Entsprechend fegen die Kraftakte weder durch die Songs, noch hauen sie sie in Stücke oder zermahlen einen inhärenten Furor im Sinne des Fassüberlauftropfens. Songs wie "Harper Lewis" und "Youngblood" gefallen sich eher darin, die Melancholien des Vor-, Zwischen- und Rück-Spiels gegen die vor Ehrfurcht erstarrende Kälte ihrer Moshakkorde zu werfen. Allerdings verliert "Station" an Wirkung und Spannkraft, wenn dieser Aufbau einmal verstanden und schließlich immer wieder gehört worden ist.
Neben ihren Ansprüchen befinden sich Russian Circles somit zu keiner Sekunde. Ebenso wenig musizieren sie unter ihren Möglichkeiten. Die aber sind, in Anbetracht dessen, was vor allem im Math-Rock-Umfeld an Spannungsleitung und -umkrempelung möglich ist, doch etwas begrenzt. Ebenso begrenzt, wie der Metal auf "Station" das Überborden der Songs zuschneiden und abgrenzen will. Das ist also schon eine andere Herangehensweise als die ewig hochgejubelte Fusion. Eine sehr eigene Handschrift, die dicke Buchstaben malt und sie zu allen Seiten scharf abgrenzt. Und dann doch im Inneren ihre Konturen verwischt. Nachvollziehbar, konsequent - die ganz großen Würfe liegen in diesen Genres dann aber doch woanders.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Verses
- Xavii
Tracklist
- Campaign
- Harper Lewis
- Station
- Verses
- Youngblood
- Xavii
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