Sun Kil Moon - April
Caldo Verde / CargoVÖ: 18.04.2008
Caught in the nap
Dabei sein und Mitmachen sind immer noch zwei verschiedene Paar Schuhe. Immer wieder ärgerlich: Am Verkehrunfall teilzunehmen, bedeutet noch lange nicht, die helfende Hand auszustrecken. Immer wieder schön: nach dem Kantersieg der Lieblingself aus dem Stadion zu torkeln und statt ins Ermüdungsbecken in die Stammkneipe zu müssen. Passend dazu glänzen auf der Myspace-Seite von Mark Kozeleks Projekt Sun Kil Moon Freundeslisten ausschließlich durch Abwesenheit. Der Ex-Vorliegende der Slowcore-Institution Red House Painters war halt noch nie der Typ des schnellen Schusses und der losen Verbrüder- und Verschwesterungen. So kommt der Besucher ohne das nervige Laden schreiender Flyer und grenzdämlicher Fragenkataloge ("Have you ever been to Metropolis? It sucks!") sofort in den Genuss seines eigentlichen Interesses: der Musik. Auch "April" schafft es, sofort präsent zu sein, den Hörer aber dennoch erst langsam einzustimmen. Der bemerkt gar nicht, wie er Teil eines in Zeitlupe gedrehten Schneckenrennens wird, dem er irgendwann nicht mehr entkommen kann.
Songs wie "Lost verses" und "Tonight in Bilbao" gehen äußerst behutsam vor und voran. Ein einziger psychischer Strom, ausgewalzt auf bis zu zehn Minuten, in denen nach dem einen Anfangsriff lange Zeit nicht mehr wirklich etwas passiert. Kozeleks Songs brüten, spenden Wärme und Vertrauen. Bleiben äußerlich gelassen und beziehen doch einen kaum auszugleichenden Druck von ganz tief drinnen, aus Klangwelten und Resonanzen, die gar nicht mehr wirklich zu hören sind. Auch die Arrangements konzentrieren sich aufs Kleinste, und so bekommt man nie wirklich mit, wie die Schrauben langsam angezogen werden. Geben etwa die Gitarrenpickings von "Lucky man" zwischen Simon & Garfunkel und Mojave 3 zunächst noch ein sehr eindeutiges Bild ab, so dämmert der Song mit einem Mal in eine Intensität, die so von Anfang an gedacht, jedoch nie vorherzusehen war. Die wie Träume aus Gänsehaut mitten aus "Unlit hall" österlich auferstehenden Banjo-Takte sind demgegenüber beinahe schon ein Fäuste ballendes Statement.
Auch die halbverzerrt dröhnenden Gitarren von "Tonight the sky" und "The light" spielen so lange, bis die Falle gestellt, der Köder ausgelegt und die Beute schließlich ins Netz gegangen ist. Die großen Instrumentierungen, mit Streichern und immer wieder hymnisch anschwellenden Chorgesängen, werden dabei derart eng zwischen die Saiten und Kozeleks ebenso volle wie zurückhaltende Intonation gemischt, dass sie nie als dramatisches Bonbon ausgelutscht werden. Sie spenden Dichte, sickern hervor, härten aus, lassen wieder los. Und greifen damit direkt in die Brust, um den Herzschlag des Hörers unmerklich nach "April"-Takt umzudrehen. Der bleibt spätestens zur todtraurigen Reminiszenz von "Moorestown" absolut paralysiert zurück, unfähig, irgendetwas Sinnvolles in die Tastatur zu zwingen oder sich überhaupt zu bewegen. Zwischen Kozeleks Stimme, behutsam gestrichenen Drums und Geigen und einer wie Abschiedstränen von der Nasenspitze tropfenden Gitarrenharmonie scheint jeder Atemzug zu laut: "My thoughts will pause, my throat will swell / When her name is spoken." Selbst das als Kommentar einzig passende "Wow!" kann gar nicht anders, als zugleich ehrfurchtsvoll und zutiefst getroffen geflüstert zu werden.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Lost verses
- Unlit hallway
- Moorestown
- Tonight in Bilbao
Tracklist
- Lost verses
- The light
- Lucky man
- Unlit hallway
- Heron blue
- Moorestown
- Harper road
- Tonight the sky
- Like the river
- Tonight in Bilbao
- Blue orchids
Im Forum kommentieren
trust
2011-09-02 23:39:01
so unaufdringlich, wohltuened, gnädig ...
warmherzig. Wie ein Gedichtband.
lupus
2011-09-02 22:07:35
@Witzig, daß manche Gruppen auf Myspace mehr tägliche Abrufe versammeln können als Kozelek in der gesamten Zeit seit Ende 2005 *lach*.
das ist in derTat nicht lustig, sonder tief bewegend und traurig.
verwirrt
2011-09-02 22:05:48
@ingwer
liebe RHP ehrlich über alles, wirklich ÜBER ALLES, doch habe mit Sun Kil Moon meine Probleme. Ich weiß nicht, woran es liegt. Der Sound ist fast der Gleiche wie bei RHP. Die Songs snd sehr schön.- Es klingt auch nicht uninspiriert oder langweilig, eher wie RHP ohne Koz mit der Stimme von Koz
Ingwer
2011-05-27 19:24:40
Was für eine Schande, dass nicht mal hier auf PT (zumindest im Forum) ein solches Album die Aufmerksamkeit kriegt, die es verdient. Hört euch das an, wenn ihr es nicht kennt! Das ist etwas vom besten, was es gibt. Ernsthaft.
Demon Cleaner
2010-06-15 09:57:57
Habe es gestern Abend gehört...ziemlich unterschätztes Album. Eben sehr ruhig und wenn man so will monoton. Aber so wunderbare Melodien muss man erst mal schreiben. Perfekt für die Nachtzeit.
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