MGMT - Oracular spectacular

Red Ink / Columbia / Sony BMG
VÖ: 02.05.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Breite Hierarchien

Bald ist es wieder soweit: Das Sommerloch steht vor der Tür. Und damit auch das Lieblingsthema der Politik, wenn diese sich zur Saure-Gurken-Zeit bei der Bevölkerung beliebt machen will - die Managergehälter. Wenn die wüssten. Die dekadentesten Vertreter dieser Hierarchieebene residieren dieser Tage nämlich nicht in Deutschland, sondern in Brooklyn und heißen Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser. Unter dem Namen MGMT (früher mal kurz: The Management) hauen sie ihre Bezüge vermutlich für halluzinogene Pappe raus und übergeben den Rest in einem Hippie-Ritual am Strand feierlich dem Lagerfeuer. Zumindest im hoffnungslos pillenbunten Video zu ihrer ersten Single "Time to pretend", einem unglaublich großartigen Song zwischen Dance, progressiver Psychedelia und einer Extraportion Pop - zweifelsohne bisher einer der Konsens-Hits des Jahres.

Aber auch eine tonnenschwere Hypothek für das Album, das die beiden ursprünglich von Barack Obama produzieren lassen wollten. Aber da der sich momentan mit der Frau von jemandem rumschlagen muss, der damals gar nicht inhaliert hat, sitzt nun immerhin Dave Fridmann hinterm Mischpult. Der kennt sich dank seiner Arbeit mit den Flaming Lips oder Mercury Rev ja mit Musikern aus, die gerne mal weiße Mäuse sehen. Da ist es fast schon eine gelinde Enttäuschung, dass Zeilen wie "I'll move to Paris, shoot some heroin and fuck with the stars" lediglich als Witz gemeint sein sollen. Wer weiß: Vielleicht sind MGMT am Ende ja gar keine Hippies, sondern bloß charmante Spaßvögel mit fundiertem musikalischen Wissen. Das wäre zumindest eine Erklärung für die vielen Erdlöcher, die die beiden graben.

Los geht es natürlich mit "Time to pretend", womit aber auch schon ein Großteil an Tanz-Bums auf "Oracular spectacular" abgearbeitet wäre. Nicht so die unzähligen Sounds, Zitate und Querverweise auf diesem Assoziationsblaster von einem Album. "Weekend wars" klingt direkt dahinter wie endgültig auf Helium hängengebliebene Wolf Parade aus der Steckdose. "Electric feel" baut eiernde Acid-Tests um aus French House geklaute Synthis. Und bei "Kids" veranstaltet gleich die komplette Unterstufe aller New Yorker Schulen einen Wandertag inklusive Polonaise in der Electro-Disco. Das passt zwar alles zunächst kaum zusammen und hat eine Schräglage, mit der man Gläser vom Tisch kippen könnte, erschließt sich aber nach kurzer Zeit wie von selbst. Und wenn "4th dimensional transition" mit hektischem Trommelfeuer und in Auflösung begriffener Struktur die abgedrehteste Phase einleitet, befindet man sich schon so weit draußen, dass einen nicht mehr viel umhauen kann.

Und doch verstehen MGMT ihr Handwerk. Wissen, wie man den Hörer anlockt und abstößt, mit schmackhaften Intros verwöhnt, dann mit waghalsigen Wendungen verschreckt, ehe alle beim versöhnlichen Schluss wieder selig über beide Ohren grinsen. Das mag gerade hier aber auch am Einsatz gewisser Substanzen liegen - und würde es in allen Chefetagen so bedröhnt zugehen wie auf "Oracular spectacular", wäre es das wohl erst mal gewesen mit dem Aufschwung. Doch der interessiert bei diesem unterm Strich tollen Album ausnahmsweise nicht. Die Floskel "Breite Zustimmung" hat wieder einen Sinn.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Time to pretend
  • Weekend wars
  • Electric feel

Tracklist

  1. Time to pretend
  2. Weekend wars
  3. The youth
  4. Electric feel
  5. Kids
  6. 4th dimensional transition
  7. Pieces of what
  8. Of moons, birds & monsters
  9. The handshake
  10. Future reflections
Gesamtspielzeit: 40:26 min

Im Forum kommentieren

mIsland

2020-06-25 18:19:18

https://www.youtube.com/watch?v=VFbtnmrO4sc

Alle Farben & VIZE feat. Graham Candy - Kids

Gott, ist das scheiße.

Old Nobody

2018-02-04 20:39:58

Ich mochte Electric Feel immer mehr als Time to pretend und vor allem als Kids, welches irgendwann ein ziemliches Nervpotential entwickelt hat. Starkes Album aber allemal immer noch,länger nicht gehört. Sollte man keinesfalls auf die Hits reduzieren wo es doch mit Weekend Wars, The Youth und dem für mich über allem thronenden Of Moons, Birds and Monsters so viel mehr zu bieten hat. Wie großartig ist grade bei dem Stück denn bitte das Ende?
Ich würde dem Album immer noch ne 8,5 geben in etwa gleichauf mit dem st und vor Congratulations, dass aber auch bei einer knappen 8 landet. Sollte sich das in der Rezi geschriebene bewahrheiten wird das neue Album wohl mit Abstand das schwächste bzw das erste nicht ganz so tolle. Mal schauen

Felix H

2017-12-19 13:28:47

Die ganze erste Hälfte ist groß.

Gomes21

2017-12-19 13:24:13

Ja, hat ihnen scheinbar aber auch selbst den Maßstab zu hoch gelegt.

The MACHINA of God

2017-12-19 13:13:23

"Time to pretend" ist immer noch riesig.

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