dEUS - Vantage point

V2 / Cooperative / Universal
VÖ: 18.04.2008
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Architektur tanzen

Die zwischenzeitlichen Gerüchte von Betriebsamkeit waren dann doch etwas übertrieben. Nachdem es sechs Jahre gedauert hatte, bis "Pocket revolution" die Fahnen wehen lassen durfte, kürzten dEUS die Entwicklungszeit von "Vantage point" aber immerhin auf die Hälfte. In der Zwischenzeit wurde übrigens ihr Label abgewickelt und dem Allesfresser Universal einverleibt. Dass es im Vorfeld der Veröffentlichung in Belgien strafbewehrte Forderungen einer Nachrichtensperre von "Vantage point" gab, ist aber zum Glück die einzige unschöne Auswirkung dieser Geschäftsverwicklung.

Der kauzige Poplärm von dEUS ließe sich selbst dann nicht bändigen, wenn Tom Barman das wollte. Also gerät auch "Vantage point" von Beginn an in diesen steten Fluss der Musik, der einem auch schon einmal den Gehörgang umdreht, ohne dass man bewusst etwas davon mitbekäme. Die Gitarren von "When she comes down" tänzeln in Kreisen um einen brodelnden Groove herum, und Barman fällt beim Refrain aus seiner heiseren Deklamation in schwelgerisches Crooning. "Oh your God" schreddert beim doch nun wirklich naheliegenden Versuch, Walzer und Funk zu verheiraten, ein paar Verstärker. Und wenn mit "Eternal woman" oder "Smokers reflect" diese typischen Barman-Seufzer losschweben, zerfällt der Wohlklang zwischendurch in ein paar hübsche Einzelfasern.

Mit einer gewissen Grundunruhe konnten dEUS ja schon immer gut, und genau die prägt immer mehr das Klanggefüge der Band. Verblüffende Breaks haben sie nicht mehr nötig, also darf sich "Favorite game" über den Groove räkelt und dann ein paar Hormone für eine räudigen Chor locker machen. "Slow" hingegen ist nicht allein wegen der Stimme von Karin Dreijer Andersons (The Knife) der pure Sex, sondern wegen der gegenseitigen Anmache von fließenden Synthesizern, sinnlichen Gitarren und laszivem Gesang. Während sich "Slow" so zum subtilen Höhepunkt von "Vantage point" entwickelt, langt "The architect" gleich mit mehreren Händen mitten in den eigenen Schritt. Genau so feiert man die eigene Großartigkeit: "I've reason to believe that what I find / Is gonna change the face of human kind."

Aber auch wenn sie der Architektur diesen leicht spöttischen Besuch abstatten, konstruierten auch dEUS ihre Songs schon immer mit ähnlichen Mitteln. Sie nehmen sich Zeit. Sie schichten ihre Gitarren und verkanten ihre Rhythmen. Sie feilen an ihrem emotionalen Ausdruck mit den Mitteln ihrer eigenen Ästhetik. Arthur Schopenhauer bezeichnete Architektur einst als "gefrorene Musik". Bei dEUS hingegen ist alles im Fluss. Statt an der Skyline vergreifen sie sich lieber an Erwartungshorizonten. Mit dem Ausklang ihres fünften Albums hinterlassen sie dort mit dem zärtlichen "The vanishing of Maria Schneider" und der zwinkernden Feierlichkeit von "Popular culture" einen bilderbuchreifen Sonnenuntergang. Es ist der spannende Zwiespalt zwischen poetischer Wärme und leichtem Frösteln, der sich immer wieder einstellt. "Vantage point" ist weder ein neues "The ideal crash", noch ein neues "Pocket revolution". In der Verbindung der Stärken beider Alben jedoch sind dEUS ganz bei sich selbst. Einmal mehr.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Eternal woman
  • Favorite game
  • Slow
  • The architect

Tracklist

  1. When she comes down
  2. Oh your God
  3. Eternal woman
  4. Favourite game
  5. Slow
  6. The architect
  7. Is a robot
  8. Smokers reflect
  9. The vanishing of Maria Schneider
  10. Popular culture
Gesamtspielzeit: 46:35 min

Im Forum kommentieren

Körperklaus

2011-02-04 00:28:19

"Keep You Close" auf September verschoben...und alles nur wegen Marketing-Quatsch...

Goin Deeper

2011-02-03 23:48:20

Eternal Woman ist so großartig. Wahnsinn.

The MACHINA of God

2008-09-28 15:11:53

Wie oft hast du es denn gehört?

Mendigo

2008-09-28 12:12:45

etwa gegen mitte des jahres hab ich mir schlussendlich doch ein dEUS album zugelegt, und zwar In a Bar Under the Sea. Und ich war hin und weg, ohne Frage eines der besten Alternative Rock alben der 90er, so experimentell wie Alternative rock eben sein kann, ohne in avantgarde abzugleiten. was mir natürlich im grunde auch nichts ausmachen würde, aber es war doch zugegebenermaßen die vermischung von eingängigen melodien und rhythmen mit soundexperimenten und dreckigen fast-schon-metal explosionen.

naja, nachdem ich nicht so recht wusste welches album als nächsters angehen, und da ja zufällig gerade heuer eine neues der band erschienen ist, hab ich mir eben Vantage Point zugelegt. Und war wirklich am boden zerstört nach dem ersten durchlauf, und das hat sich seitdem nicht gebessert. Alles was In a Bar Under the Sea (und scheinbar überhaupt die ersten 3 alben) ausgemacht hat ist verschwunden. geblieben ist standard alternative rock, danzbar und bedeutungslos. Wobei natürlich ein richtungswechsel an und für sich nicht zu verurteilen ist, das problem ist nur dass das album auch als das was es ist einfach zu nichts taugt. Keine Melodien die hängenbleiben, keine Rhythmen die einem wirklich durch mark und bein fahren, nichts für das es sich lohnt das album immer und immer wieder hervorzukramen :(

cds23

2008-09-18 20:54:09

@Machina
Hm, einfach das Gemisch aus Gitarre und Bass, das klingt irgendwie ganz genau wie bei Radiohead anno '95. Kann Dir keinen genauen Song nennen, ich meine mich aber daran zu erinnern, dass es mir vor allem bei "Bones" aufgefallen ist, glaube ich.

@Demon
Ja, stimmt, die "Vantage Point" Produktion gefällt mir auch besser, klingt geschmeidiger und einfach moderner. Was natürlich an den 13 Jahren, die zwischen den Platten vergangen sind, liegen dürfte.

Ich mag das Album nach wie vor sehr, weil es so schön kurz(weilig) ist, keine Sekunde zu lang und ich jeden Song zumindest gut finde. Der Opener ist im Übrigen Gold wert.

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