
R.E.M. - Accelerate
WarnerVÖ: 28.03.2008
Traktionskontrolle
Dass R.E.M. mal wieder so richtig zulangen wollen, ist ja keine neue Idee. So wurde 1994 schon "Monster" als lautes Rock-Album angekündigt, um dann weder so recht laut noch so recht Rock zu sein. Spätestens damals war klar, dass es bei R.E.M. nicht um die Lautstärke geht, sondern um die Songs. Auch als es nach vier Jahren Studiopause hieß, "Accelerate" kümmere sich endlich wieder vor allem um laute Gitarren, brauchte man keine geschmolzenen Röhrenverstärker zu befürchten. Und doch besteht kein Zweifel: "Accelerate" rockt. In an R.E.M. kind of way.
Zu schepperndem Schlagwerk und sägenden Saiten wirft sich Michael Stipe schon im Opener ganz ins Scheinwerferlicht. Mike Mills schnittiges Harmoniezartbitter unterstreicht die Rockpose noch, und Peter Buck lässt seine Gitarre bratzen wie zuletzt bei "Document". Man glaubt es kaum, dass das auch schon wieder 21 Jahre her ist, so frisch klingt der Lärm hier. "Living well is the best revenge" hadert nicht mit den Umständen, die sich seitdem eingestellt haben. Es ist ein lautes, aber vor allem selbstbewusstes Zähneknirschen. "And all your sad and lost apostles / Hum my name and flare their nostrils / Choking on the bones you tossed to them." Zwar bleibt offen, an wem genau sich R.E.M. rächen wollen, aber im Januar sitzt zum Glück ohnehin jemand anderes im Weißen Haus.
Das vierzehnte Studioalbum der Band aus Athens ist tatsächlich mehr als ein Lippenbekenntnis in Sachen Rock. Die Songs trauen sich den Krach und laufen dem Pop trotzdem nicht davon. Das dissonante Sägen von "Man-sized wreath" mündet in die schwelgerischen Harmonie des Refrains. Und wenn Stipe in der janglenden Single "Supernatural superserious" von Demütigung und Tränen singt, bekommt das verwöhnte Ohr dies vor lauter Mitsingmelodie gar nicht richtig mit. Dass die Zündschnur der Songs deutlich kürzer ist als noch beim etwas langatmigen Vorgänger "Around the sun", ist alles, nur kein Nachteil.
Lauter wohlige Kleinigkeiten versammeln sich auf "Accelerate". Dem bewölkten 6/8-Moll von "Houston" macht eine saftige Orgel Laune. "Sing for the submarine" pendelt zwischen perlender Sehnsucht und aufmüpfiger Widerspenstigkeit. Das unbehagliche Gitarrensurren im Hintergrund des Titelstücks schließt sich nahtlos an Großtaten wie "Orange crush" oder "The one I love" an. Auch das endzeitliche Mahnen von "Until the day is done" hat so manche gänsehautwürdige Verwandtschaft. Am Ende machen "Horse to water" oder "I'm gonna DJ" dann noch mal einen drauf: "Because death is final / I'm collecting vinyl / And I'm gonna DJ at the end of the world." Wenn die Band so viel Spaß an wiederentdeckten Stärken hat, kann der ohnehin schon erfolgsverwöhnte Produzent Jackknife Lee (u.a. U2, Snow Patrol, Bloc Party) nicht viel falsch machen. R.E.M. sind tatsächlich wieder auf der Überholspur.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Living well is the best revenge
- Houston
- Accelerate
- Until the day is done
Tracklist
- Living well is the best revenge
- Man-sized wreath
- Supernatural superserious
- Hollow man
- Houston
- Accelerate
- Until the day is done
- Mr. Richards
- Sing for the submarine
- Horse to water
- I'm gonna DJ
Im Forum kommentieren
Gordon Fraser
2021-03-07 01:37:40
Seit Ewigkeiten mal wieder gehört. Angenehm kurzweilig, die Platte. Schade, dass sie diesen Stil im neuen Jahrtausend so selten durchgezogen haben.
The MACHINA of God
2020-04-10 21:46:17
"Accelerate": Nachdem der Vorgänger Kritiker, Fans und die Band selbst enttäuscht hat, musste das neue Album ein Neustart werden. Schon auf der Tour zu "Around the sun" wurde die Lahmarschigkeit abgelegt und wieder mehr "gerockt". Die Band wollte raus aus der Komfortzone der letzten beiden Alben und sich mehr auf die Wurzeln besinnen (wie auch die 80er-lastige Setlist der offiziellen Probe "Live at the Olympia" zeigt).
Wie hier im Thread zu lesen mochte ich das Album anfangs gar nicht so sehr, da es mich weniger berührte als die sanften letzten Alben. Aber interessanterweise hat das Album mit den Jahren bei mir gewonnen. Es ist eine wichtige Reduzierung und Rückbesinnung, die nach der Sackgasse von "Around the sun" einfach kommen musste.
Der Eröffnungs-Dreier ist absolut klasse, besonders Opener und "Supernatural superserious" sind zwei der besten rockigen Songs der Band überhaupt. Auch die zwei Abschluss-Songs mag ich in ihrer für R.E.M.-Verhältnisse fast schon Überdrehtheit. Und dann gibt es noch den emotionalsten und für mich besten Song der Platte: "Until the day is done". Den lieb ich total, gerade Stipes Stimme.
"Housten" und "Mr.Richards" find ich nur gut und "Hollow man" ist für mcih er einzig verzichtbare Song des Albums, aber ansonsten ist das hier echt ein recht hohes Niveau. Anmerken möchte ich noch die kraftvolle Produktion von Jacknife Lee, die selbst einer vermeintlichen Ballade wie "Sing for the submarine" ordentlich Wumms verleiht.
Sowas wie "Accelerate" nennt man wohl Frischzellenkur. Und auch die Tour (auf der ich sie sah) strahlte viel Spielfreude aus. Es sollte ihre letzte sein. Und es macht Sinn. Nach der Stagnation nochmal back-to-the-roots mit Blick auf das Geschaffene der letzten (damals) rund 25 Jahre. "Collapse into now" war dann ja etwas eine Art Best-Of ohne alte Songs.
Huhn vom Hof
2015-04-01 23:11:18
"Accelerate" habe ich nicht mehr so oft gehört wie die älteren Alben. "Living well is the best revenge", "Supernatural superserious" und "Horse to water" sind aber grandios.
Bester 2000er REM-Song: "I'll take the rain"
Yersinia
2015-04-01 22:41:03
Allgemein - Kenne die Doku nicht :D Ja, grad "Eyeliner" angeguckt - scheint wirklich nicht live zu sein.
MopedTobias (Marvin)
2015-04-01 22:38:13
Animal war da doch gar nicht? Oder sprichst du von TOTP-Performances allgemein?
Es gab noch Crush With Eyeliner, Lotus und Leaving NY. Ersteres war, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, mindestens teilweise Playback, da man den nicht anwesenden Thurston Moore gehört hat :)
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