Charlottefield - What are friends for

Fat Cat / Rough Trade
VÖ: 08.02.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Alle Fragen offen

Es macht schon betroffen: Irgendwann dazustehen, auf dem Planquadrat der eigenen Hirnwindungen. Zuviel versucht, zu vergeblich zu sehr geprüft, die Synapsen funken ein einziges "pappesatt". Man spürt nur ein Glühen, eine Dringlichkeit, die sich nicht länger aufhalten will und immer wieder aufreibt. Zwischen Post-Hardcore und Math-Rock hat auch "What are friends for", der zweite Streich der Brightoner Charlottefield, keine Zeit für Fragen, stellt lieber fest, stellt lieber klar. In dieser Genremischung schon seit Jahrzehnten der in den Haltungsnoten einzig klassische, dennoch wirklich spannungsgeladene Punkvibe, sagen manche. Zumindest ein prima Album, muss man sagen.

Denn Charlottefield haben die Entschlossenheit nicht nur gefressen, sondern gleich in einem einzigen Batzen runtergeschluckt: Die Snare drückt immer wieder auf die Eins, zwischen die Zwei und die Drei, in jedem Fall aber fünf vor zwölf, was "Late repeat" und "Snakes" klaustrophobischen Druck verleiht. Bass und Gitarren verbrennen sich dazu in ihrem eigenen Fegefeuer, fliehen immer wieder aus streng getaktetem Starrsinn in dissonante Widerspenstigkeit, ziehen genau dort, wo eigentlich die harmonische (Er-)Lösung stattfinden sollte, das Gewinde noch fester an und verabschieden sich in mutwilligen Ungehorsam. So wenig sich die Instrumente voneinander lösen können und doch gegenseitig zerreiben, ständig auf der Hut voreinander sein müssen und deshalb jeden Ausbruch im wütenden Engtanz mitgehen, so sehr binden Songs wie "Beatings" und "Pacifically" ihre Energien, entladen sich nie wirklich. Sie werden lauter, unbarmherziger, schrecken vor sich selbst zurück, desertieren sogar, bersten auf. Doch nie in die erwartete Richtung und nicht ohne im wechselseitigen Halali sofort zurückgepfiffen oder ausgekontert zu werden. Da wirkt selbst ein klar durchstrukturiertes Stück wie "Broken bell", das seine Ruhe im Sturm mit schauerlichen Slides zum Teufels-Blues-Vollautomat umprogrammiert, wie die hinterfotzig diskrete Warnung vorm Cenobite-Universum.

Denn wie bei Hellraisers Nietenscheiteln besitzt "What are friends for" die Körperlichkeit eines Lustversprechens, das sich vorrangig in Schmerzen äußert. Hier bekommt jeder das, was er verdient und nicht, was er erwartet, weil er zuviel über sich selbst geträumt hat. Beharrender Bass, forderndes Schlagzeug, trotzende Gitarren, marschierender Gesang: Zusammen zerren sie an den Songs und treiben sie so zu einem energetischen Impulsgeber, der die Reibungsenergie nutzt, um wie ein Bulldozer voranzurollen. Die Kolben stottern, der Vergaser taktet geronnenes Blut, Funken springen über und rasseln wie Sperrfeuer durch den Motorblock. Die Songs beginnen zu flattern und zu verschlucken, doch nur, um ihren Plattwalzradius auszudehnen. Bis das eigene Hirnplateau derart plan(los) ist, dass nur noch rostige Haken herausstechen. Bevor sich also die Ketten spannen: Sagt nicht, man hätte Euch nicht gewarnt.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Snakes
  • Pacifically
  • Broken bell

Tracklist

  1. Beatings
  2. Late repeat
  3. Wrong on purpose
  4. Pacifically
  5. Snakes
  6. Broken bell
  7. Threes
  8. Backwards
Gesamtspielzeit: 33:25 min

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