Beach House - Devotion

Bella Union / Cooperative / Universal
VÖ: 29.02.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Feinstaub

In großer Zahl tanzen Staubkörner im Sonnenlicht. Eigentlich sollte man hinterher rennen und die stummen Biester mit entsprechendem Gerät beseitigen. Aber man unterliegt ihrem bedächtigen Fluss, hält inne und schaut ihnen müde und entspannt nach. Langsam hangeln sie sich durch den Raum, vollführen immer neue besinnliche Schritte und benetzen damit jedes Möbelstück. Doch Ungemach betritt Ort und Stelle: Der wunderschöne Gemeinschaftstanz der immerwährenden Begleiter kommt mit jeder schwindenden Sekunde zum Stillstand. Die innige Nabelschau des Betrachters weicht von Augenblick zu Augenblick nervöser Anspannung. Wieso bleibt ihr stehen? Wieso nicht weiter in der sinnestrübenden Choreographie?

"Devotion", das zweite Album von Beach House, lässt Betrachtungsweisen von tagtäglichen Alltagssituationen in Schieflage geraten. Das Trommelfell stellt sich auf, die Pupillenrotation passt sich der Langsamkeit der Songs an, und jede umliegende Bewegung wird genaustens notiert. Hinter ihrer bewussten Gemächlichkeit steckt aber mehr als nur die Abwesenheit von Schnelligkeit. Beach House sind Abenteurer, immer auf dem schmalen Grat zwischen Stagnation und Fortbewegung. Sie wissen genau, was ihre Songs zum Erblühen bringt und fürchten sich vor dem toten Punkt. Des Rätsels Lösung ist der elegische Refrain, der herzerwärmende Chorus, der die minimalistischen Barrieren sprengt und jeden Song aus dem teils träumerischen, teils unterkühlten Tiefschlaf reißt. Ein Spiel mit dem Feuer, das viel mehr mit Erregung zu kämpfen hat, als auf den ersten Ton erkennbar scheint.

Nicht immer wird dieses Spiel von Victoria Legrand und Alex Sally gewonnen. "Gila" betört zwar durch eine seufzende elektrische Gitarre, wird aber letztlich vom seltsam aufgepushten Orgelspiel gefressen. Auch "Astronaut", das sich erst aus wahllos aneinandergereihten Tonfragmenten hypnotisch erhebt, vergeht innerhalb von Sekunden durch allzu starke Frostbeulen. Der engelsgleiche, mehrstimmige Umschwung zum Schluss bringt auch keine Wende mehr. Dennoch: Es sind nur zwei Tropfen auf dem heißen Stein. Beach House sind Variationskünstler, die alle weiteren Uppers und Downers unter Kontrolle haben und perfekt in Szene setzen. Auf "Devotion" paart sich Leichenblässe mit hell leuchtenden Tupfern. Tote Drum Machines ebnen den Weg für weihnachtlich anklingende Orgelmelodien ("Turtle island", "All the year"). Rauschende Gitarrensoli werden von psychedelischen Auswüchsen auf den Boden gehalten ("Heart of chambers"). Legrand ist gleichzeitig inbrünstige Chanteuse wie auch sanftmütige Wundenheilerin.

Inspiriert ist "Devotion" nicht in erster Linie von anfänglichen Shoegazing-Zeiten. Bebende Soulrefrains der Sechziger, aufopferungsvolle Folk- und Countryballaden, selbst Schlagerhaftes, Überbuntes wird hier zur radikalen Transformation geführt und durch die spartanische Weitläufigkeit gezähmt. Das Feingefühl, das Beach House aufbieten, verlangen sie gleichermaßen ihren Hörern ab. Und wenn diese sich dem hingeben können, werden sie die feurige Leidenschaft in der psychedelisch inzenierten Zurückhaltung erkennen - und wissen, dass ein toter Punkt mit dem kommenden Chorus umgangen wird. Der Blick ist geschärft. Die Ohren sind gespitzt. Die Staubkörner tanzen weiter.

(Markus Wollmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wedding bell
  • Turtle island
  • All the year

Tracklist

  1. Wedding bell
  2. You came to me
  3. Gila
  4. Turtle island
  5. Holy dances
  6. All the year
  7. Heart of chambers
  8. Some things last a long time
  9. Astronaut
  10. D.A.R.L.I.N.G.
  11. Home again
Gesamtspielzeit: 44:09 min

Im Forum kommentieren

carpi

2019-01-12 23:05:38

Schöne Platte, sehr homogen, alles marschiert schleppend und verträumt, stimme dem Threaderöffner zu, dass die erste Hälfte etwas beeindruckender ist.

2010-12-13 13:06:55

strukturlos

facepalm

Einzelkind

2010-12-13 09:52:04

Ungefähr jeder auf Teen Dream. Devotion ist aber dennoch sehr schön, wenn auch teilweise etwas strukturlos.

Banana Co.

2010-12-12 22:24:11

Fantastisches Album.

Und kann ein Song größer sein als "Astronaut"?

toolshed

2010-04-19 06:40:33

Schöne CD. Höre ich seit Tagen fast jeden Abend. Bis auf "You came to me" wurden, hier im Thread, auch schon all meine Highlights hervorgehoben.

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