Hot Chip - Made in the dark

Labels / EMI
VÖ: 01.02.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Extraportionen

Gute Idee von Hot Chip, ihre neue Platte ein bisschen zu vertrödeln. Wäre sie nämlich schon im vergangenen Jahr erschienen, sie wäre zerrissen, gevierteilt und in alle Tanzböden der Welt gestampft worden. Elektronische Erfolgsmusik aus 2007 hat sich eben nicht mit Kleinigkeiten aufgehalten - vielmehr konzentrierte sie sich darauf, das Spiel mit niederen Instinkten zur Kunstform zu erheben, bis keiner mehr Zeit für oder Lust auf subtile Zwischenfragen hatte. Außer halt Hot Chip, die es gerne mal etwas genauer wissen wollen und auch großes Vergnügen darin finden, sich an Kleinigkeiten abzuarbeiten. Wenn "Made in the dark" nun also ins neue Jahr rutscht und mit ihrer Interpretation von Elektro-Krawall beginnt, möchte man das fast als Reviermarkierung verstehen. Aber diese Band zeigt ihre Zähne ja doch nur, damit jeder sehen kann, welche Bonbons sie gerade lutscht.

"Out at the pictures" macht Spaß, sogar sehr viel davon, und wird trotzdem niemals mit der Spaßgesellschaft in Berührung kommen. Eher editieren Hot Chip doch noch ein zweites, drittes und zehntes Mal an irgendwelchen Sounds herum, singen von der Liebe, wie es nur Männer mit Hühnerbrust können und erden sich selbst in einer Auffassung von Popmusik, die vor lauter Bezugspunkten und Querverweisen immer kurz davor steht, aus allen Nähten zu platzen. "The warning" war schon so und stellte damit eine Berliner Mauer in die virtuelle Plattentests-Redaktion, über die sein Nachfolger nun erst mal drüberklettern muss. Hot Chip probieren das mit selbstbewussten Bekenntnissen zur Extraportion: "Made in the dark" ist mehr Pop, mehr Song, mehr Soul, mehr Elektronik und letztlich auch mehr Album.

Das Beste daran ist: Hot Chip sind sich nie zu fein, um ihrer phänomenalen Nerd-Ästhetik, circa Zak McKracken, mit irgendetwas anderem als einer völligen musikalischen Entsprechung zu begegnen. "Shake a fist" verscheuert seinen inneren Clubhit für einen Komplettabsturz der Systeme, dem ebenso eilige wie beeindruckende Neuinstallationen aller denkbaren Synthesizer folgen. Das Titelstück steht als Edelschnulze mit Klavier und ohne Netzwerkanschluss so selbstverständlich in der Albummitte, dass man am Ende beinahe beleidigt ist, weil es sich ein Saxophonsolo gerade noch verkneifen kann. Und auch "Wrestlers" kennt keine Eile mehr, wenn es erst mal dabei ist, sein Denkmal für penibel durchgeplanten Ringkampf zu bauen, das zwischen zwei Bodyslams auch noch recht schöne Grüße an Willie Nelson loswird. Man möchte das schöne Wort "beknackt" benutzen, um "Made in the dark" zu beschreiben.

"I'm only going to Heaven / If it feels like hell", merken Hot Chip dazu passend an und entwickeln "Hold on" in sechs Minuten vom Funk-Song mit Indierock-Refrain zum drastischsten Computer-Freakout der Platte weiter. Irgendjemand spielt jetzt sogar auf Bongotrommeln herum; die Seifenspur, die "We're looking for a lot of love" eben noch durchs Album gezogen hatte, ist plötzlich sehr weit weg. "Made in the dark" aber greift das noch mal auf - gegen Ende wird es so sachte und sanft, dass sich auch das vehemente "Don't dance" nicht mehr entschieden genug selbst widersprechen kann, um die wichtigste Klarheit zu beseitigen. Aus der Dunkelheit ist diese Platte gekommen, und in die Dunkelheit aller offenen Schlafzimmer wird sie zurückkehren. Ein selten guter Grund, um beim Sex mal das Licht auszumachen.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Shake a fist
  • Made in the dark
  • Hold on
  • Wrestlers

Tracklist

  1. Out at the pictures
  2. Shake a fist
  3. Ready for the floor
  4. Bendable poseable
  5. We're looking for a lot of love
  6. Touch too much
  7. Made in the dark
  8. One pure thought
  9. Hold on
  10. Wrestlers
  11. Don't dance
  12. Whistle for Will
  13. In the privacy of our love
Gesamtspielzeit: 53:51 min

Im Forum kommentieren

Loketrourak

2022-08-24 19:17:56

One Pure Thought verliert einfach nicht. Auf lange Sicht womöglich mein ewiger Lieblingssong von Hot Chip.

dude

2008-10-05 15:45:12

beides grausam ;)

Leatherface

2008-10-05 15:20:10

Ich mag's, aber ich mag das Original ja auch nicht besonders.

Mixtape

2008-10-05 15:18:55

Eine Vergewaltigung des Songs, der lässt sich nun mal nicht auf Kuschelradio-Niveau runterbrechen.

Leatherface

2008-10-05 14:46:30

:-)

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