Cowboy Junkies - Open
Cooking Vinyl / IndigoVÖ: 14.05.2001
Schlaflos in Saskatchewan
Die Zeit ist nicht gerade als beste Freundin der Musiknation Kanada bekannt. Einst dominierte man zwar mit den Herren Cohen und Young den internationalen Durchschnittsplattenschrank, als sich jedoch zu Beginn der Neunziger - zwar in Sichtweite Vancouvers, aber doch auf der anderen Seite der Staatsgrenze - echter kanadischer Holzfällergeist mit Youngs Segnung in Seattle breit machte, sah man jegliche Pophoffnungen schon mit dem Greyhound-Bus gen Süden flüchten. Bittere Jahre der Niederlage folgten. Doch gerade als Kanada im internationalen Kulturzirkus nur noch bei Cartoondrittkläßlern Beachtung fand und man sich auf entspannte Nostalgie konzentrieren wollte, platzt die Band mit dem amerikanischsten aller Bandnamen mitten ins Trübsalblasen und spielt sich aus den Katakomben amerikanischer Plattenfirmen. Nun ist es nicht so, daß man die Cowboy Junkies einfach so vergessen hätte. Regelmäßig trudelten schließlich neue Veröffentlichungen in der Heimat ein. Doch darf eine Band ein Live-Album "Waltz across America" nennen, ohne ihren kanadischen Ursprung komplett zu vergessen?
Bei den Cowboy Junkies hat sich in Zwischenzeit einiges geändert. "Open" erscheint nicht mehr beim US-amerikanischen Multi, sondern beim standesgemäßen eigenen Label, das vor kurzem nach einem zehnjährigen Dornröschenschlaf reanimiert wurde. Die Platte wird bei der Gelegenheit auch selber produziert, und generell hat man vor allem eines: Zeit. Aufgenommen wurde "Open" während eines ganzen Jahres, was man an jeder Ecke der Platte hört und spürt. Hier wird nur gehetzt, wenn es wirklich sein muß, und so bleibt den Songs genug Zeit, um ausgiebig durchzuatmen und bei der Gelegenheit auch so etwas wie Lebensfähigkeit zu entwickeln. Die zehn Titel stoßen bis an die Grenzen herkömmlichen Songwritings vor, ohne sie jemals zu verlassen. Melodien mäandern, recken sich nach epischer Breite und strahlen Grundgrazie mit Schmackes aus, während Margo Timmins Stimme die majestätische Komponente stellt, den Song aber auch wieder zurückzuholen vermag, wenn er zu weit ausgebrochen ist. Größere Rettungsaktionen bleiben allerdings aus - nach fünfzehn Jahren am äußersten Rand von diversen Folk-, Rock- und Countryschubladen haben die Cowboy Junkies offenbar genug Grenzerfahrungen gesammelt, um nicht in die ausgelegten Fallen von Genrekonventionen zu stolpern.
Aus der Ursuppe der Zeit werden Schätze gehoben, die von alleine vornehm schimmern, aber gleichzeitig auch genug Auftrieb unter die Füße gesetzt bekommen, damit sie nicht untergehen oder gar im falschen Timing versinken. Doch "Open" ist nicht blinder Anmut. Immer wieder blitzen Sekunden der Intimität zwischen zwei Momenten hervor, denn hier geht es nicht nur um die Zeit, hier geht es auch um ihre naseweise kleine Mätresse - das Altern. So findet nicht nur zelebrierte Schönheit statt. Man mahnt auch an ihre Grenzen, an ihre Endlichkeit, die man versucht im Griff zu behalten und nicht zuletzt auch um bewahrenswerte Übersicht. Die Cowboy Junkies erfüllen die gestellten Aufgaben solide und schaffen ganz nebenbei pure Zeitlosigkeit - oder etwas wahnsinnig Unzeitgemäßes. Jeweils im bestmöglichen Sinn, selbstverständlich. Bleibt zu hoffen, daß die gekränkte patriotische Seele Kanadas das auch so sieht - zumal die Zeit ja angeblich alle Wunden heilt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Bread and wine
- I'm so open
- Close my eyes
Tracklist
- I did it all for you
- Dragging hooks (River song trilogy: part III)
- Bread and wine
- Upon still waters
- Dark hole again
- Thousand year prayer
- I'm so open
- Small swift birds
- Beneath the gate
- Close my eyes
Referenzen
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