Rufus Wainwright - Rufus does Judy at Carnegie Hall
Geffen / UniversalVÖ: 07.12.2007
Viva la diva
In elitären wissenschaftlichen Kreisen zirkuliert seit einiger Zeit das Gerücht, dass ein Professor der renommierten Harvard-Universität eine bahnbrechende Entdeckung gemacht habe: Beim Mikroskopieren eines abgebrochenen Fingernagels des Probanden Rufus Wainwright sei nachgewiesen worden, dass dessen DNA-Struktur von unzähligen Pailletten umsäumt ist - trivialnamentlich auch als "Diva-Gen" bezeichnet. Es ist also als reines Instinktverhalten einzustufen, dass der selbst ernannte "Gay messiah" das legendäre Comeback-Konzert, das MGM-Diva und Schwulenikone Judy Garland 1961 in der New Yorker Carnegie Hall gab, setlistgetreu nachspielte. Selbstverständlich mietete Wainwright zu diesem Event den Originalschauplatz, ließ ein 36-köpfiges Orchester unter der Leitung des Broadway-Maestro Stephen Oremus antanzen, die Stücke etwas tiefer transponieren und sich vom holländischen Designer-Duo Viktor & Rolf einen dezent karnevalistisch anmutenden, aber dennoch feinsten Zwirn schneidern. Hat jetzt noch jemand Zweifel daran, wie der Titel seines aktuellen Studiowerkes - "Release the stars" - gemeint war?
Dass Rufus Wainwright natürlich nicht Judy Garland ist, macht seine Hommage nur noch charmanter: Er hat nun einmal diese dramatische, nasale Stimme, die man sich auch gut als Röntgenassistentin vorstellen könnte, und schwört auf die Symbiose von Lautstärke und Intensität. Judy Garland hingegen intonierte bei all der ungeheuren Schwere ihres eigenen Lebens (fünf Ehen, diverse ungesunde Abhängigkeiten) ihre Songs stets mit einer unschuldigen, zauberhaften Leichtigkeit - man konnte ihr Strahlen förmlich hören. Doch auch Wainwright kreiert eine ganz spezielle Energie, man merkt jeder Note seine große Verehrung für die Garland und das Classic American Songbook an - all diese wunderbaren Kompositionen von George Gershwin, Harold Arlen oder Irving Berlin. Angefangen hat übrigens alles damit, dass Wainwrights Mutter ihm als Kind "Over the rainbow" aus "Der Zauberer von Oz" beibrachte. Auch fast dreißig Jahre später, in der Carnegie Hall, ist sie es, die ihn bei diesem Stück am Piano begleitet.
Schwester Martha gesellt sich ebenfalls für eine Nummer hinzu, performt eine atemberaubende Version von "Stormy weather" und stiehlt ihrem Bruder im Prinzip mal eben die Show. Dies gelingt Garlands Tochter Lorna Luft, die mit Wainwright "After you've gone" duettiert, nicht unbedingt - irgendwie klingt sie, als habe sie sich die Stimmbänder noch schnell ein bisschen mit Botox aufspritzen lassen. Dafür ist das Orchester vom ersten bis zum letzten Ton brillant, spielt sich souverän durch Swing, Jazz und Broadway-Melodien und gehorcht schmunzelnd, wenn dem Star des Abends nach ein paar Takten einfällt, dass er das Tempo doch gerne etwas flotter hätte. Wainwright präsentiert sich gewohnt redselig, gibt höchst amüsante Anekdoten zum Besten, schnurrt göttlich am Anfang von "Puttin' on the Ritz" und liefert bei "The man that got away" seine mit Abstand eindrucksvollste Gesangsleistung der ganzen Show ab. That's entertainment! Und irgendwo in seiner DNA hat Rufus Wainwright auch ein Grammy-Gen. Ganz sicher.
(Ina Simone Mautz does Rufus at Plattentests.de)
Highlights & Tracklist
Highlights
- Medley: Almost like being in love / This can't be love
- Puttin' on the Ritz
- The man that got away
- Stormy weather (starring Martha Wainwright)
- Over the rainbow (featuring Kate McGarrigle)
Tracklist
- CD 1
- Overture: The trolley song / Over the rainbow / The man that got away
- When you're smiling (the whole world smiles with you)
- Medley: Almost like being in love / This can't be love
- Do it again
- You go to my head
- Alone together
- Who cares? (As long as you care for me)
- Puttin' on the Ritz
- How long has this been going on
- Just you, just me
- The man that got away
- San Francisco
- CD 2
- That's entertainment
- I can't give you anything but love
- Come rain or come shine
- You're nearer
- A foggy day
- If love were all
- Zing! went the strings of my heart
- Stormy weather (starring Martha Wainwright)
- Medley: You made me love you / For me and my gal / The trolley song
- Rock-a-bye your baby with a dixie melody
- Over the rainbow (featuring Kate McGarrigle)
- Swanee
- After you've gone (featuring Lorna Luft)
- Chicago
Referenzen
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