
Ed Harcourt - Until tomorrow then (The best of...)
Heavenly / Capitol / EMIVÖ: 26.10.2007
Independence day
"So as of now I am without a record deal or publishing deal." Wenn Ed Harcourt diese unfassbare Nachricht nicht an einem völlig humorfreien Novemberabend in seine Bloghütte gekritzelt hätte, wäre man glatt von einem verfrühten Aprilscherz ausgegangen. Bei Künstlern, an deren Garderobe auch gerne mal ein rosafarbenes Bunny-Kostüm baumelt, muss man schließlich mit allem rechnen. Aber da war kein Witz und schon gar keine erlösende Pointe; nur eine nüchterne, betriebswirtschaftliche Entscheidung des Major-Labels: Wer nach sieben Jahren und vier Alben immer noch nicht melkmaschinenkompatibel ist, fliegt aus dem Stall - erst recht, wenn sein Vertrag ausläuft. Selten lagen Gewinnoptimierung und Bankrotterklärung so nah beieinander.
Eine Best-of-Compilation ist natürlich ein außerordentlich höhnisches Abschiedsgeschenk für einen, der allerspätestens seit seinem Meisterwerk "The beautiful lie" ganz offiziell zu den begnadetsten Songschreibern seiner Generation zählen müsste, aber ungerechterweise nie das Glück hatte, zum Prior-Thema auserkoren zu werden. Weder von seiner Plattenfirma, noch von den Medien. Wenigstens die lieben Kollegen wissen Harcourts Qualitäten zu schätzen: R.E.M. und Wilco luden ihn als Support in ihren Tourbus, Feist, The Magic Numbers und vor kurzem erst The Veils eröffneten wiederum seine Konzerte. Manic Street Preacher James Dean Bradfield engagierte ihn als Live-Keyboarder, und das französische Jazz-Quartett um Erik Truffaz ließ den Briten auf seinem aktuellen Album "Arkhangelsk" singen.
Es ist im Grunde völlig schnuppe, welche sechzehn Songs für diese Compilation aus Ed Harcourts Œuvre herausgepickt wurden - er hat bis heute kein einziges halbgares Stück aufgenommen. Das Label entschied sich erwartungsgemäß für eine Single-Kollektion und mischte noch ein paar Album-Tracks und zwei bislang unveröffentlichte Stücke dazu: das ursprünglich auf seiner Debüt-EP "Maplewood" erschienene "Whistle of a distant train" in einer noch hinreißenderen Jazz-Bar-Version und die ganz neue, ganz wunderbare Piano-Ballade "You put a spell on me". Die ausführlichen Liner-Notes verraten unter anderem, dass Harcourt "Something in my eye" während seiner Zeit als Koch schrieb und damals Sparklehorse verehrte, dass kein Geringerer als Graham Coxon auf "Visit from the dead dog" Gitarre spielt und die betörenden Schwarz-Weiß-Film-Geigen am Anfang von "Until tomorrow then" aus einem total unromantischen Gerät namens Optigan stammen.
Die essentielle Erkenntnis bleibt allerdings, wie ungeheuer vielseitig, wie melodisch und dramaturgisch perfekt Harcourts Repertoire ist; wie bedingungslos seine Stimme in jedem Augenblick zum emotionalen Exzess bereit ist und mit welcher Leichtigkeit und Euphorie er ein Schmankerl nach dem anderen aus dem Ärmel schüttelt: von der samtenen Klavierzauberei "Black dress", über die hysterische Pop-Explosion "Loneliness", bis hin zur vollmundigen Eskapismus-Hymne "Shanghai". "Born in the '70s", "She fell into my arms", "This one's for you" - es ist nach wie vor ein Rätsel, wie diese Songs keine Hits werden konnten. Harcourt grämt sich trotzdem nicht und bleibt auch inoffiziell einer der begnadetsten Songschreiber seiner Generation. Seinen Blog-Eintrag an jenem Novemberabend schloss er übrigens mit den Worten: "Let's raise a glass to the future!" Geb'n Se dem Mann am Klavier noch'n Bier!
Highlights & Tracklist
Highlights
- She fell into my arms
- Black dress
- Loneliness
- Until tomorrow then
Tracklist
- Born in the '70s
- She fell into my arms
- Black dress
- All of your days will be blessed
- This one's for you
- Apple of my eye
- Visit from the dead dog
- Something in my eye
- Watching the sun come up
- Loneliness
- Fireflies
- Shanghai
- Shadowboxing
- Whistle of a distant train
- Until tomorrow then
- You put a spell on me
Referenzen
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