Scout Niblett - This fool can die now

Too Pure / Beggars / Indigo
VÖ: 19.10.2007

Die drei Ausrufezeichen

Selten haben sich zwei Menschen derart gesucht und gefunden wie Scout Niblett und Steve Albini. Bereits seit "I am" hält sie jedermanns Lieblings-Soundingenieur die Treue. Und er ihr dafür den Rücken von jeglicher musikalischer Redundanz frei. Auf ihrem vierten Werk "This fool can die now" wächst nun erneut zusammen, was zusammen gehört. Und weitet sich in den allerbesten Momenten gar zu einer brandgefährlichen Ménage à trois aus, die unfassbar laut seufzen und sehr leise schreien kann.

Will Oldham, besser bekannt als Bonnie 'Prince' Billy, ist hier der Dritte im Bunde. Und die vier Songs, die Niblett mit ihm duettiert, gehören wohl zu nicht weniger als dem Intensivsten und Besten, was alle drei Beteiligten je zustande gebracht haben. Gleich zwei von ihnen schenken "This fool can die now" einen großartigen Beginn. Vor allem in "Kiss" kann man förmlich spüren, wie Albini mit dem gewohnten Geierblick über dem Studiointerieur kreist, den Raum durch seine Schlaumeierbrille scannt und versucht, alle Sinne beisammen zu halten, um von Niblett nicht aufs Glatteis geführt zu werden. Wie diese wiederum sorgsam Löcher in ihre Arrangements stanzt, um Albini herauszufordern und Oldham Platz zu machen. Und wie dieser es sichtlich genießt, in dieses aufs Eindringlichste vorbereitete Setting einzufallen. Später gibt es mit "River of no return" und "Comfort you" vom Dreierpack noch zwei gelungene Hommagen an Marilyn Monroe beziehungsweise Van Morrison. Den Rest erledigt Niblett dann aber wieder sehr gerne allein.

"Erledigt", in der Tat. Denn auch der Hörer fühlt sich zuweilen als Freiwild für Nibletts Kunst der Verschreckung und Erweckung. So, wenn "Moon lake" ihre Stimme allein durch das rumpelnde, in unerbittlichem 3-D ausgestellte Schlagzeug im stillen Kämmerlein zum Äußersten treibt. Und man doch nicht ansprechend auf die unbändige Wucht vorbereitet wird, mit der "Let thine heart be warmed" einem darauf alle Organe auf einmal in die zitternden Kniekehlen schießen lässt. Ähnliches verbirgt sich im Teufelskreisblues von "Nevada" und "Hide and seek". Niblett jauchzt, lässt ihre Stimme wie Fäuste hochfahren, in der nächsten Sekunde wieder wegbrechen und hält so genau die Grenze fest und präsent, die kurz vor dem fälligen Schrei- oder Kreischlamento die gesamte Komposition standardisieren und damit auseinander reißen würde.

Die Güte von "This fool can die now" zeigt sich somit vor allem im konzentrierten Missverhältnis zwischen Songaufbau und Intensität. Nibletts Songs brechen nie wirklich aus, gönnen sich kaum Ausuferndes oder Abschweifendes. Stattdessen peitschen selbst tief im amerikanischen Alternative-Folk verwurzelte Jammerbuchten wie "Black hearted queen" zu Nadelspitzen geschliffene Wellen hervor und greifen sich des Hörers Kehle, Herz und Wadenmuskel. War ihre Musik schon immer vor allem auch körperliche Erfahrung, so hat sie dieses Prinzip auf "This fool can die now" bis in die Haarspitzen getrieben. Der Hörer muss selbst in den leisen, klagenden Momenten stets auf der Hut sein. Es gilt, besser nichts zu verpassen, will man hier am Leben bleiben. Die Jagd ist eröffnet.

(Tobias Hinrichs)

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