Sunset Rubdown - Shut up, I am dreaming

Global Symphonic / Absolutely Kosher / Rough Trade
VÖ: 21.09.2007
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der zerbrochene Krug

Ohne Vorwarnung tauchen sie aus dem Nichts auf - fast jede Nacht. Auch wenn sich an ihr kreatives Treiben nur erinnert, wer plötzlich hochschreckt. Während die Schläfen in die Kissen gebuddelt sind und die Augenlider der Schwerkraft erliegen, krabbeln sie durch verborgene Kammern im Hirn, wühlen sich durch's Archiv, zerren Spulen hervor, schnibbeln Teile von schmalen Streifen ab, kleben sie neu zusammen und basteln surreale Spinnereien daraus. Die Traum-Trolle schnappen sich das Unterbewusstsein, schieben es in die erste Reihe eines der Kopfkino-Säle und lassen ihr neuestes surreales Machwerk flimmern. Nicht selten verquicken sich absurdeste Sammelsurien, verstören und faszinieren - mal kunterbunt und wirr, zuweilen auch bedrohlich. Ein klein wenig ähnlich ist es mit Sunset Rubdown, der zweiten Band von Wolf-Parade-Sänger Spencer Krug. Hier zeigen sich eher die Nachtseiten seiner Fantasie, die morbiden, traumversponnenen und elegischen Facetten.

Vielleicht haben Krug und seine Begleiter ein wenig tiefer ins Absinth-Glas geschaut. Denn wie im Traum, nah am Wahnsinn gebaut und mit einem gesunden Schuss Krankheit, verbinden sich unvereinbar scheinende Gegensätze zu surrealen Gebilden. Mit brutaler Zartheit, epischer Prägnanz, simpler Vielschichtigkeit und lichtdurchfluteter Düsternis. Weit ausgefeilter und nuancierter als auf dem Home-Recording-Erstling "Snakes got a leg" purzeln die Songs von "Shut up I am dreaming" aus den Boxen. Mit ernster Erhabenheit und einem geisteskranken Schalk im Nacken. Die Scheibe weckt die Nachtmahre im Unterbewusstsein und spornt sie an, neue groteske und unheimliche Kopfkinostreifen zu basteln. Strotzend vor sinnlicher Schönheit und zertrümmernder Gewalt, voll sanft fließender Passagen, überraschender Schwenks und krasser Brüche.

Das Konsequente der Platte liegt vor allem darin, dass sie dem Hörer konsequent zu verstehen gibt, dass sich jederzeit die Wetterlage und der Kurs des Songs ändern können. Jeder Song ist ein eigener Mikrokosmos, eine eigene Entwicklungsgeschichte. Brachiale Bluesrocknummern, schwer wie drei Pottwale, walzen mit einem betrunkenen Klavier am Steuer vorwärts. In "They took a vote and said no" feiern frisch aus dem Sanatorium entlassene Glockenspiele und Quetschkommoden mit knieschlotternden, martialischen Rhythmen Jahrmarkt, um im nächsten Song einen surrealen, zartbitteren Grabgesang zu umspinnen. Verkaterte Shanty-Chöre hauchen whiskeyschwangere Akkordfolgen zu sanft geschrubbten Lagerfeuergitarren.

Das Beständige ist der Wechsel, sind die Umschwünge in und zwischen den einzelnen Passagen und Songs. Ein stilistischer Parforceritt zwischen klassischen Folk-Songs mit dickem Sprung in der Schüssel, Rockbrechern, windschiefen Schunkelnummern und stillem Stillstand. Mit Riff-Biestern, impressionistischen, angeschrägten Klavier-Arpeggien, massiv donnernden Grooves und leisem Klimpern. Zwischen bleierner Schwere und beschwingtem Tänzeln, zwischen düstersanftem Schwelgen und wüsten Ausbrüchen. Nicht selten vereint in derselben Nummer. Dazu pfeift Spencer Krug vergnügte Weisen, singt seine kruden Verse, jagt seine Stimme ins Falsett und zurück. Inbrünstig keift, quäkt, näselt, haucht und säuselt er seine hinterhältigen Gesangslinien, die sich urplötzlich im Innenohr festsetzen und sich im Hirn breit machen. Besoffen, beschwingt, betrübt und begeisternd.

"Shut up I am dreaming" ist eine bildhübsche Grazie mit dicken Macken im Lack und Tassenschwund im Schrank. Erst mit etwa einjähriger Verspätung erreicht dieser wildschöne Brocken nun auch unsere Breitengrade - nur wenige Wochen, bevor mit "Random spirit lover" schon das dritte Sunset-Rubdown-Werk in die Regale wandern wird. "Shut up I am dreaming" ist eine der zerrissensten, aufregendsten und morbidesten Platten seit Langem. Dem kanadischen Quartett um Spencer Krug ist eine Platte gelungen, die die Hirnrinde heißglühen lässt, die Sinne verwirrt, an den Nerven zerrt und gleichermaßen abschreckt und betört. Ein blühendes, struppiges Nachtschattengewächs, eine poetische Dampframme. Wahnsinnig. Spannend. Nichts für schwache Nerven. Definitiv aber für verrückte Träumer.

(Ole Cordsen)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Us ones in between
  • Snakes
  • The men are called horsemen there
  • Shut up I am dreaming of places where lovers have wings

Tracklist

  1. Stadiums and shrines II
  2. They took a vote and said no
  3. Us ones in between
  4. I'm sorry I sang on your hands that have been in the grave
  5. Snakes got a leg III
  6. The empty threats of little lord
  7. Swimming
  8. The men are called horsemen there
  9. Q-chord
  10. Shut up I am dreaming of places where lovers have wings
Gesamtspielzeit: 46:10 min

Im Forum kommentieren

saihttam

2012-07-08 01:08:29

haha, ja, sowas nervt schon ziemlich. ging mir auch schon öfters so.
werd mir das album wohl auch mal anhören müssen, nachdem ich Dragonslayer super finde und mir Random Spirit Lover auch ganz gut gefällt.

koe

2012-07-08 00:03:14

und ich dachte es gibt neue kommentare zum album. mae

Frauenversteher

2007-12-05 08:20:01

pavement? naja...

der rechte linke

2007-12-05 02:15:36

@DerZensor: stimmt, aber ging es hier nur um vinyl? egal, tolle platte!

DerZensor

2007-12-05 02:06:47

die gibts doch gar nicht auf vinyl?

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