Architecture In Helsinki - Places like this

Tailem Bend / Cooperative / Universal
VÖ: 10.08.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Das Lebkuchenhaus

Natürlich gehört zu den ikonischen Filmen der 80er Jahre auch "Crocodile Dundee", die Geschichte des braungebrannten Wildtierbändigers aus dem australischen Outback, der in die Hektik New Yorks versetzt wird. Will man die Geschichte zwanzig Jahre später mit Architecture-In-Helsinki-Sänger Cameron Bird statt Paul Hogan in der Hauptrolle neu erzählen, muss man zunächst eingestehen, dass sich einiges verändert hat. Zwar kommt auch hier ein Australier nach New York und geht auf seine ganz eigene Weise mit vielen Eindrücken um. Doch der verkniffen guckende Krokodiljäger in Lederweste wird diesmal ersetzt durch einen Klangkosmopoliten, für den Down Under ohnehin immer nur der zufällige Ausgangspunkt einer umspannenden Weltbetrachtung war. Zudem lässt sich das Phänomen Architecture In Helsinki gerade nicht als Ein-Mann-Band verstehen, sondern muss im Kontext sich überlagernder Einflüsse und Stile gesehen werden - eines kreativen Prozesses, der sich seiner eigenen Komplexität bewusst ist und ebenso unaufhörlich wie angstfrei weit über jede Grenze hinausgesteigert wird.

Bleiben wir aber noch einen Moment bei den Äußerlichkeiten und werfen einen Blick auf das Cover von "Places like this": Wie schon beim Vorgänger "In case we die" blicken wir auf eine futuristisch urbane, krakelig gezeichnete Landschaft. Nicht ein einzelnes Haus und seine Herz-Leuchtreklame stehen diesmal im Mittelpunkt, sondern inmitten einer hybriden gelb-grauen Welt, die mit pink-blauen Wesen bevölkert ist, welche zwischen Technik und Phantastik changieren, öffnet sich ein monochrom grüner Schlund und gibt eine wuchernde Dschungelnatur frei, die sich mit der Kanalisation paart. In deren Mitte ist als einzig farbiges Element ein Strahlen werfendes Raumschiff auszumachen. Humor, Zitat und Bedrohung halten sich die Waage und ohne hier in die Ausdeutungen der Basis-Überbau-Metapher und ihrer möglichen ökologischen Weisheiten auch nur einzusteigen zu versuchen, lässt sich am Verhältnis der beiden Cover ganz wunderbar das Verhältnis der beiden Platten beschreiben.

Gegenüber "In case we die" ist "Places like this" bunter und sonniger, aber paradoxerweise zugleich weniger herzlich. Die Komplexität wurde nochmals gesteigert, die Anzahl widerläufiger Elemente weiter erhöht. Der Reggaeeinfluss der puertoricanischen New Yorker Nachbarschaft durchzieht die Songs und paart sich mit den für Architecture In Helsinki typischen Überfrachtungen, Verwerfungen und Richtungswechseln, mit dem Schrägen und dem Schaurigen. Ein scheinbar unerschöpfliches Arsenal an Instrumenten, genauer: Klangerzeugern, tut sein Übriges. Ähnlich müssen sich Hänsel und Gretel gefühlt haben, als sie mit dem Angebotstisch des Lebkuchenhäuschens konfrotiert waren. Ein Sound entsteht, der so klingt, wie Comiczeichner sich die industrielle Revolution vorstellen: An allen Ecken und Enden dampft und zischt es, grelle Lampen gehen an, Dinge verschwinden, um unerwartet an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Ein vielgestaltiges Chaos, dass den Eindruck einer höheren Ordnung eben dadurch erweckt, dass man auch nach stundenlangem Starren und Staunen partout kein System entdecken kann.

Das ist großartig - wenn es denn gelingt. Warum das diesmal nicht bei zehn von zehn Songs der Fall ist, darüber lässt sich nur spekulieren: ist es vielleicht doch die Luftveränderung? Inspiriert New York nicht nur, sondern verlangt auch seinen Tribut? Festhalten lässt sich jedenfalls, dass die wunderbaren Bläser, die auf "In case we die" noch überall über die Songs gepuffert wurden, ihre Hauptrolle verloren und einer stärker auf Hintergrundbeats fokussierten Strukur gewichen sind. Das hat seinen eigenen Wert, erreicht aber nicht den Witz und die Eingängigkeit des Vorgängers. Aber auch Crocodile Dundee hatte es nach seiner Ankunft ja nicht eben leicht. Das Glück findet auch er erst, als er mit Kompromisslosigkeit und Eigensinn seine eigene Art der Kommunikation über das großstädtische System legt.

(Thorsten Thiel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Heart it races
  • Hold music
  • Debbie

Tracklist

  1. Red turned white
  2. Heart it races
  3. Hold music
  4. Feather in a baseball cap
  5. Underwater
  6. Like it or not
  7. Debbie
  8. Lazy (Lazy)
  9. Nothing's wrong
  10. Same old innocence
Gesamtspielzeit: 31:41 min

Im Forum kommentieren

dorsch

2007-08-07 09:41:00

wie ich finde kommts zwar nicht an die alte ran, ist aber trotzdem ein gutes album. Vor allem debbie rockt, aber sowas von. Der Gesang am Anfang von Lazy hört sich an wie der von Isaac Brock bei Dashboard...das gehezte. Find ich komisch

Armin

2007-08-03 20:39:43

Architecture In Helsinki (Cooperative Music)
‘Places Like This’
10.08.2007

Auch Architecture in Helsinki sind Teil unserer Popkomm-Show am 20. September in Berlin. Das neue Album der Australier heisst „Places Like This“ und erscheint am 10. August 2007! Atemberaubend, frisch und voller Energie wirbeln sich die neuen Songs in Kopf, Herz und Fuesse. Mit ihrer Tanzbarkeit und Straightness wird uns diese absolut mitreissende Platte garantiert nicht nur den Sommer versuessen.

Fuer den Herbst wurden Tourdaten wie folgt bestaetigt:

19.09.2007 Bielefeld - Forum
20.09.2007 Berlin - Postbahnhof (City Slang & Cooperative Music spielen PopKomm)
22.09.2007 Muenchen - Ampere
30.09.2007 Duesseldorf - Zakk

Umbra

2007-07-21 16:52:49

Crazy Shit!

shrink

2007-07-18 21:41:53

Debbie ist super.

dominik

2007-06-24 20:26:29

HEART IT RACES ist ja so ein cooler ohrwurm. bum bada bada bum bada bada...

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