Elvis Perkins - Ash Wednesday

XL / Beggars / Indigo
VÖ: 13.07.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Geschichte aus der Gruft

"Ash Wednesday", das Debüt von Elvis Perkins, Sohn von "Mr. Psycho" Anthony Perkins und der Fotografin Berry Berenson, ist nicht weniger als ein Todesengel der Geschichte. Perkins verlor seinen Vater bekanntlich 1992 an den sich gerade fürs nächste Jahrtausend fit machenden Seuchling HIV. Dann, 2001, raste seine Mutter zusammen mit vielen anderen Menschen in noch mehr Menschen. Und stürzte 110 Stockwerke tief. So ließ ausgerechnet eben jener 12. September, der auch seinen Vater neun Jahre zuvor das Leben gekostet hatte, bloß noch Asche in Perkins' Leben zurück. Und wurde zu einem sehr persönlichen 9/11. Die Aufgabe seiner Musik wächst damit ins Unbegreifbare und verrußt auch die Fragen, die man an das Album zu stellen hat.

Wie persönlich kann ein Schmerz verhandelt werden, der zugleich auf diese doppelte Weise Exempel der zwei "größten Geißeln" (Kofi Annan, beziehungsweise Jorge Bush) des Jahrhunderts ist? Und der zudem noch derart unheilvoll in einem einzigen Datum verschweißt wurde? Man wird Perkins' die Frage stellen, ob "Ash Wednesday" nur deshalb so gut werden konnte, weil die kleine, persönliche und die große, übermenschliche Geschichte in seinem Leben die Klingen gekreuzt haben? Und somit von vorn herein so pervers und unfair urteilen, wie es nur geht.

So viel muss einfach vorausgeschickt werden, um wenigstens einen Grundsatz an Ehrlichkeit zu bewahren. Schließlich versucht auch Perkins selbst, ehrlich zu sein. "Ash Wednesday", der Titelsong, ist ein in das Album eingestanztes Datum, ein zugleich unwirkliches und unmissverständliches Wasserzeichen der Erinnerung. Es markiert ein doppeltes Gedenken der Eltern und unterteilt das Album somit in Songs, die vor der Geschichte, und solche, die nach dem Tod geschrieben wurden. "While you were sleeping" ist solch ein Song, wie er besser kaum gespielt werden kann. Ein sechsminütiger, hymnischer Trinkspruch, weder auf das Leben noch den Tod, sondern auf die Melancholie einer Existenz, in der alles gleich bleiben muss und doch eine Menge passiert. Die Gitarre spielt ein simples, sofort zupackendes Riff, Perkins singt dazu leicht angekratzt und doch zurückhaltend. Irgendwann schunkeln sich Standbass und Schlagzeug ein, treiben den Song auf die nächste, dezent groovende Ebene. Von hier aus werden dann in unfassbarer Präzision Flaschenhalsgebläse, Geigenhimmel und gedämpfter Backgroundchor zugeschaltet. Und spätestens wenn singende Säge und Trompete emphatisch ihr Glas erheben, öffnet sich das ganze Herz des Hörers für diese songgewordene Lakonie.

Auch insgesamt mag die größte Leistung von "Ash Wednesday" sein, dass bei immenser Instrumentierung doch immer die Spur zwischen großer Geste und demütiger Verrichtung gehalten wird. Selbst wenn in "Sleep sandwich" die Jazztrompete jammert, das Glockenspiel und die Kesselpauken klagen, ersinnt der Song doch eine Kraft und ein Misstrauen, die sich zu einem Komplott der Ausgewogenheit zusammenraufen. Auch "All the night without love" und "Moon woman II" wollen alles und machen sich doch so klein wie möglich. Allein "Good Friday" sucht zu traurigem Klavier recht deutlich den versöhnlichen Abschluss. Aber auch der ist Perkins, trotz der Berechenbarkeit der Geste, mehr als zu gönnen, denn ansonsten gäbe es für den verhexten "Ash Wednesday" keine Chance auf Gerechtigkeit. Auch der Rezensent muss sich entscheiden, ob er Teil einer Trauerfeier sein will oder einen neuen Anfang herbeilügt. So wird selbst seine Dankbarkeit über die Güte dieser Musik durch die Frage nach dem "Warum" vergiftet. Letztlich ist jedoch nicht entscheidend, was dieser Musik passiert ist, sondern was sie zu geben im Stande ist. Und das ist eine ganze Menge. "Trotz allem", spuckt die Geschichte gallig ihren Zusatz dazwischen. Ungerecht. Aber leider wahr.

(Tobias Hinrichs)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • While you were sleeping
  • All the night without love
  • Sleep sandwich

Tracklist

  1. While you were sleeping
  2. All the night without love
  3. May day!
  4. Moon woman II
  5. It's only me
  6. Emile's Vietnam in the sky
  7. Ash Wednesday
  8. The night & the liquor
  9. It's a sad world after all
  10. Sleep sandwich
  11. Good Friday
Gesamtspielzeit: 50:44 min

Im Forum kommentieren

2010-04-04 02:47:32

ich frag mich eher, wer deinen dummen beitrag verbrochen hat. der name des rezensenten steht unterm text und er schreibt auch nix lustiges über 9-11 (obwohl auch das durchaus "noch gehen" würde).

kaka

2010-04-04 01:50:52

sorry aber, wer hat den die beiden kritiken dazu verbrochen? ich sprech jetzt gar nicht die wertung an, aber was für ein rotz ist das denn? da schreibt er über den 11. september, als wäre es irgendwie eine lustige geschichte, und auch die andere Kritik fängt mit so einer halblustigen passage ein…gehts noch? unterste schublade.

Pascal

2009-04-03 15:59:23

"Shampoo" und die Sonne, ach, fühlt sich das gut an;)

schigolch

2009-04-02 10:29:47

Danke für den Link - kann Deinen Eindruck nur bestätigen.
Morgen erscheint das Album bei uns in Deutschland !

bee

2009-02-24 14:38:18

neues Album upcoming - Elvis Perkins In Dearland - grossartige erste Eindrücke!
ear: http://www.myspace.com/elvisperkinsindearland

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum