Linkin Park - Minutes to midnight

Warner
VÖ: 11.05.2007
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Neue Welten

Das Beste wäre, man würde diese Band gar nicht kennen. Oder besser, man wüsste nicht von den galaktischen kommerziellen Erfolgen von "Hybrid theory" und "Meteora", dem ganzen Remix- und Live-Schwachsinn zwischendurch und danach oder von den unzähligen peinlichen Stories in allen Teeniemagazinen dieser Welt. Dann wären viele sicher auch nicht so voreingenommen gegenüber der Band. Der Idealfall wäre also, man würde das Album auf den Tisch bekommen. Einfach so. Und dann sagt der Chef völlig beiläufig: "Hör einfach mal rein!" Das wäre schön.

Und da würde man nun mit seinem MP3-Player irgendwo gemütlich im Gras sitzen oder die Anlage beim Staubsaugen richtig aufgedreht haben, würde das instrumentale Intro "Wake" hören, was leise beginnt und nach und nach in Gitarren übergeht, bevor plötzlich Geklatsche auftaucht, ein paar härtere Gitarren dazu, eine etwas raue Stimme, die auch Kraftausdrücke benutzt und sogar Schreien kann. Eigentlich überhaupt nichts sonderlich Spektakuläres für eine normale Band. Zigmal gehört schon. Doch im Kontext von Linkin Park ist das ein Quantensprung. "Minutes to midnight" ist nämlich nichts Geringeres als der komplette Neuanfang einer der erfolgreichsten Rockbands unserer Zeit. Einer Band, die von der ersten Sekunde an deutlich machen will, dass sie abgeschlossen hat mit den alten Zeiten und endlich als Musiker ernst genommen werden möchte.

In diesem Atemzug fällt auch das komplette frühere Hitpotential unter den Tisch, auch wenn "Leave out all the rest" trotzdem noch eine extrem einprägsame Melodie besitzt. Doch die dezente Elektronik und die schon fast zahme Stimme von Chester Bennington erzeugen eher eine behagliche Stimmung anstelle der Partystimmung früherer Tage. Und noch ein Stilmerkmal von Linkin Park wurde kurzerhand abgeschafft: die chronische Überproduktion. Niemand geringeres als Rick "Gott" Rubin machte es möglich, dass mit dem einleitenden Getuschel im Hintergrund zu "Bleed it out" der Verdacht von Spontaneität aufkommt. Für manche ist das eben doch schon eine kleine Sensation, auch wenn der Song selbst neben "Hands held high" zu den einzigen zwei wirklich schlechten des Albums gehört, da beide einfach noch zu sehr an die alten Tage erinnern.

Im Gegenzug gibt es dafür aber auch eine Menge Songs, die alles andere als peinlich sind und die Band wieder salonfähig machen könnten. Denn gerade die zweite Hälfte von "Minutes to midnight" wirkt fast spielerisch befreit und unbefangen, was speziell in den beiden letzten Songs so unter Beweis gestellt wird, dass es wirklich Spaß macht, bei der Entwicklung zu zuhören. Linkin Park haben zudem mit "The little things give you away" künstlerisch komplettes Neuland betreten und ihren vielleicht besten Song überhaupt geschrieben. Ganz frei und ganz ohne Vorurteile. Respekt!

(Christoph Schwarze)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Given up
  • In pieces
  • The little things give you away

Tracklist

  1. Wake
  2. Given up
  3. Leave out all the rest
  4. Bleed it out
  5. Shadow of the day
  6. What I've done
  7. Hands held high
  8. No more sorrow
  9. Valentine's day
  10. In between
  11. In pieces
  12. The little things give you away
Gesamtspielzeit: 43:23 min

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edegeiler

2023-10-02 15:32:41

"If I could change, I would" behaupten sie, und man muß wohl feststellen: Sie können sich nicht ändern.

So ein Fazit nach zwei Studioalben zu ziehen ist auch interessant.

Affengitarre

2023-10-02 15:14:03

Ich denke schon, dass da viel Druck von außen kam. Die Wertungen für "Meteora" waren ja insgesamt spürbar schwächer, nachdem das Debüt eigentlich überall sehr abgefeiert wurde (siehe auch plattentests). Armin schrieb damals ja auch:

"If I could change, I would" behaupten sie, und man muß wohl feststellen: Sie können sich nicht ändern.

Dem Nu Metal ging so langsam der Saft aus und andere Bands aus dem Genre sind ja in den Jahren darauf so gut wie verschwunden, während sich Linkin Park durch die Stilwechsel eigentlich die ganze Zeit ziemlich gut im Mainstream halten konnte.

Deswegen geht es so als Zwischenschritt in ihrer Entwicklung eher unter.

"A Thousand Suns" ist definitiv mutiger und erfolgreicher in seinem Stilbruch, wobei ich das bei Release nicht wirklich gecheckt habe. Die meisten Menschen erinnern sich aber vermutlich eher an "Minutes to Midnight", das hat einfach so viele erfolgreiche Singles abgeworfen.

Furchtbonbon

2023-10-02 09:54:28

Ich weiß gar nicht ob sie mussten. Ich glaube eher sie wollten etwas verändern. Ich habe das Album recht spät gehört und finde die erste Hälfte ganz gut, aber dann fällt es ab. Eine 7/10 erreicht es nicht. Aber 6/10 sind drin.

Für mich weist es den Weg zu A Thousand Suns, was ich mach wie vor für ihr bestes Album halte in ihrem Kontext. Deswegen geht es so als Zwischenschritt in ihrer Entwicklung eher unter. Aber das ist ja auch nur der Blick von hinten. Wer hätte gedacht, dass nach Minutes to Midnight A Thousand Suns kommt ?!

Watchful_Eye

2023-10-01 19:42:42

Ich finde rückblickend die Plattentests-Rezension wirsch, die dieses Album als großen Aufstieg aus der Asche feierte und dann trotzdem nur 5/10 gab, so, als seien die Vorgänger kompletter Müll gewesen.

Hybrid Theory wird aber wohl eher in Erinnerung bleiben als dieses Album. Sie mussten nach Meteora etwas verändern und das Ergebnis mag seine überraschend frischen Momente haben, aber es ist kein Diskographie-Highlight imo.

https://www.plattentests.de/forum.php?topic=16824&tgroup=0&seite=41

Affengitarre

2023-10-01 17:14:34

Schon ein interessantes Album. Stilistisch deutlich breiter als die beiden Vorgänger mit einigen echt hohen Höhen und krassen Lowlights. „Hands Held High“ und „Valentines Day“ sind echt schwach. Der Closer hingegen ist wirklich super gut.

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