
Rickie Lee Jones - The sermon on Exposition Boulevard
New West / Blue Rose / SoulfoodVÖ: 09.02.2007
Christstollen
Nein, ein Zufall kann das eigentlich nicht sein. Wohl eher eine dezente Anspielung. Wovon hier überhaupt die Rede ist? Nun: Dreiundfünfzig Minuten und dreiundfünfzig Sekunden ist das dreizehnte Album von Rickie Lee Jones lang, die sich mittlerweile in ihrem - Achtung! - dreiundfünfzigsten Lebensjahr befindet. Wenn man sie allerdings im Booklet zu "The sermon on Exposition Boulevard" so sieht, mit lässiger Trainingsjacke und modisch verfilzter Wollmütze, dann könnte die "Duchess of Coolsville" irgendwie immer noch ein idealistisches Mittzwanziger-Mädchen sein.
Fast drei Jahrzehnte ist die Veröffentlichung ihres selbstbetitelten, grammydekorierten Debüts her. Keines ihrer nachfolgenden Alben wurde auch nur annähernd so erfolgreich. Verbittert ist Rickie Lee Jones trotzdem nicht geworden, sondern nach wie vor an der Welt interessiert und sogar noch in der Lage, zu überraschen: Ihr neuestes Werk ist unerwartet rockig geraten. Es beginnt mit einer Gitarre, die sich anhört, als sei sie irgendwo in einem gewaltigen Stollen, unter dem gleißend hellen Licht einer flackernden Grubenlampe, mit staubtrockenem Mund und impressionistischer Kohlezeichnung im Gesicht aufgenommen worden.
"For a thousand years I lay upon Lake Victoria / I was winged and many-colored / And nobody knew my name." Was zunächst ein wenig kryptisch wirkt, entpuppt sich als stimmungsvoll ungeschliffenes Konzeptalbum über Jesus Christus in der heutigen Welt. Und tatsächlich: Während die zumeist recht einfach gehaltene Instrumentierung durch Begleitungen mit Endlosschleifencharakter rumpelt, bringt Rickie Lee Jones die Kanzel zum Glühen und die Stücke überhaupt erst zur Geltung: Sie flüstert und keift, sie bebt und klagt, sie krächzt und quietscht und schnurrt. Sie predigt.
Man erliegt sofort den spirituellen Beschwörungen von "Lamp of the body", kann den schneidenden Schmerz von "It hurts" spüren und das countrygefärbte "Falling up" direkt mitsummen. In "Where I like it best" macht Jones ihrem Ärger über die Kommerzialisierung des Glaubens Luft, erinnert beim gewisperten "Tried to be a man" musikalisch an ihren Ex-Lover Tom Waits und sinniert über das himmlische Leben von Elvis Presley und Janis Joplin. Übers Wasser gehen kann dieses Album vielleicht nicht - aber immerhin Brücken schlagen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nobody knows my name
- Lamp of the body
- It hurts
Tracklist
- Nobody knows my name
- Gethsemane
- Falling up
- Lamp of the body
- It hurts
- Where I like it best
- Tried to be a man
- Circle in the sand
- Donkey ride
- Seventh day
- Elvis Cadillac
- Road to Emmaus
- I was there
Referenzen