Callisto - Noir

Fullstream / PIAS / Rough Trade
VÖ: 16.02.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Remake

Ist das jetzt sonderlich clever, gar Kalkül? Ein tiefgründiges Konzept? Eine Hommage? Vielleicht auch sogar ein gefälliger Zufall? Oder möglicherweise doch nur ein Spiel mit abgedroschenen Klischees? Callisto betiteln ihr zweites Album "Noir". Und alles passt irgendwie. Jede noch so winzige Kleinigkeit erfüllt das, was man im Entferntesten mit "noir" alles verbinden kann. Film Noir allen voran. Unkonventionelle und düstere Krimiästhetik mit schlimmem Ende.

Natürlich springen Callisto auf diese Kopfkino- und Filmmusikschiene auf, dessen Klischee jeder fast oder rein instrumentalen Postrock-Band anheftet. Aber selten kamen all jene Stilmittel und bewussten oder unbewussten Einflüsse dermaßen augenscheinlich und explizit zum Zuge. Morbide schwarz-weiße Fotographie mit kontrastreichem Schatteneffekt bei miserablen Lichtverhältnissen als Cover. Hinterwäldler und Flüchtende in der Tracklist. Alles verschrobene Charaktere. Dazu eine Menge Pathos. Und das nicht nur als Songtitel.

Denn gerade jener Song "Pathos" versprüht so viel Pathos und schleppendes Leiden, dass man emotional eine eigene Tragödie daraus stricken könnte. Und die Tatsache, dass Callisto auf "Noir" wesentlich besonnener und ruhiger, fast könnte man sogar kühler sagen, daherkommen als zuvor, macht es nicht unbedingt einfacher. Dunkle Atmosphären werden zusätzlich mit jazziger Bläser-Melancholie zum Spiel der Akustikgitarre verstärkt, so dass der Metaphernwahn vollends beginnen kann und dem Pathetischen die Krone aufsetzt. Selbst die kurzen Momente, in denen die langen Instrumentalparts ausnahmsweise einmal einen Ansatz von Farbe enthalten, verstehen Callisto in bester Film-Noir-Tradition abrupt durch vereinzeltes Gegrunze zu beenden. Es könnte ja sonst jemand auf die Idee kommen, diese pessimistische Welt zu verlassen.

Doch bei aller Sympathie für jedes denkbare dunkle Szenario, bekommen Callisto stets noch den Bogen. Egal ob nun das Saxophon in "Wormwood", spärliche Synthesizer-Einspieler oder knappe Töne einer Oboe: "Noir" verkommt nicht durch und durch zu einem nihilistischen Werk in bloßer Endzeitstimmung und reiner Brachialität, wie es Transmission0 arrangieren könnten. Vielmehr lassen Callisto den zwingend notwendigen Freiraum zur Selbstreflexion, was mittlerweile wahrscheinlich das fünfzehnte von fünfzig Stilmitteln des Film Noir wäre. Die Antihelden Hollywoods hätten es bestimmt nicht besser gemacht, denn das hier ist mit Sicherheit eine neumodische Hommage. Da sind wir uns jetzt einig.

(Christoph Schwarze)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wormwood
  • Woven hands

Tracklist

  1. Wormwood
  2. Latterday saints
  3. The fugitive
  4. Backwoods
  5. A close encounter
  6. Pathos
  7. Folkslave
  8. Woven hands
Gesamtspielzeit: 53:44 min

Im Forum kommentieren

fitzkrawallo

2008-12-04 21:23:26

Neuer Song "Covenant Colors" auf Myspace. Mannomann, wer sich schon über Aaron Turners gesungeneres Geraunze geärgert hat, sollte angesichts dieser dredg-liken Ausführungen die Faust am besten gleich in Mundnähe bringen, zwecks Reinbeißen.

dani@berlin

2007-04-03 17:59:01

...gerade eben per Postbote von amazon eingetroffen...na mal schaun, äh hören...

MAR

2007-02-17 18:29:24

na dann macht mal 2 schöne listen, während ich einkaufen bin. eine mit austauschbaren qwertz-bands und eine mit den bands, die klasse haben... . vielen dank :)

Mandelauge

2007-02-17 18:27:05

Wenn Callisto so austauschbar klingen würden wie du anzudeuten versuchst, würde ich dir zustimmen - da gibt's v.a. Postrockmäßig so viel Unsinn. Aber das hier ist echt 'ne Klasse drüber.

Dazer

2007-02-17 16:01:58

ja, aber es ist doch irgendwie immer das gleiche, oder? hin und wieder mal hör' ich das sehr gerne, aber ein album nach dem anderen is mir persönlich zu viel des guten.

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