Disillusion - Gloria

Metal Blade / SPV
VÖ: 20.10.2006
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Lost Highway

Disillusion haben sich schon seit längerem als etwas andere Band gezeigt. Das fängt damit an, daß das Debüt "Back to times of splendor" erst zehn Jahre nach der Bandgründung erscheint. Wird damit fortgesetzt, daß die drei Leipziger für dieses Erstlingswerks schlappe acht Monate im Studio herumbasteln verbringen dürfen, und das bei einem kompletten Freibrief durch das Label. So viel also zum Stichwort "ausgereift". Tja, und dann machen die Herren einen Schritt, der eigentlich nur kommerziellen Selbstmord bedeuten kann: Unfaßbare 18 Monate dauerte die Produktion von "Gloria". So lange benötigen nicht mal mehr Blind Guardian, um eine Platte komplett zu überfrachten.

Und was machen bitteschön Disillusion? Nach einem kurzen Einsatz nervös flirrender Geigen gibt's zunächst ein wenig Thriller-Atmosphäre, dann einen Schwung Blastbeats. Es sollen die letzten des Albums sein. Denn die erste Überraschung folgt: kein Gebrülle mehr, sondern extremst verfremdetes Geknarze ist das Stilmittel von Sänger Andy Schmidt. Das aber auf gewohnter Breakfülle, neu hinzugekommen sind unglaublich packende Melodien. Die Schmidt mal düster brummend, knarzend, brüllend wie Peter Steele (Type 0 Negative) in besten Zeiten, mal pathetisch wie Matthias Sayer (Farmer Boys) vorträgt. Oder fast schon lässig-loungig wie iin "The hole we are in".

Nach wenigen Minuten wird es klar: Alle Trademarks, die "Back to times of splendor" zu einem sensationellen Debüt werden ließen, sind weg. Einfach weg. Einzig das im Kontrast zu den bitteren Lyrics beinahe auf ironische Weise flockige "Too many broken cease fires" mag daran noch erinnern. Statt dessen Intensität, mit der man locker in der Liga von Tool mitspielen kann. Tonnenschwere Mathrock-Eruptionen, die jeden Gedanken an Neurosis beiseite wischen. Und klirrende Kälte wie bei Nine Inch Nails. Ein Parforce-Ritt durch die Stile, dessen Route man erst nach vielen, vielen Durchläufen ansatzweise nachvollziehen kann. Was auch immer Disillusion zu diesem Schritt bewogen haben mag, die Entscheidung war richtig.

"Gloria" ist nur wenige Schritte davor, den Hörer zu überfordern. Der erste Eindruck nach fünfzig Minuten ist ungläubiges Staunen ob der Flut an Emotionen, die gerade über einen hinweggerollt ist. Erschrecken. Dann Denkpause. Und irgendwie wird der Platte eine neue Chance gegeben. Neugier. Nochmal in den Player. Danach kommt die Sucht. Sucht nach diesem unfaßbar intensivem Hörerlebnis. Labelinfos neigen ja zur Übertreibung, aber der Spruch "David Lynch auf Metal" trifft es zutiefst. Es wird Hörer gegeben, insbesondere Fans des Debüts, die Disillusion für "Gloria" hassen werden. Der Rest bekommt Progression im Wortsinn. Reine Katharsis. Verpackt in einen Trip, der Dich nicht wieder losläßt.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dread it
  • Aerophobic
  • The hole we are in
  • Untiefen

Tracklist

  1. The black sea
  2. Dread it
  3. Don't go any further
  4. Avalanche
  5. Gloria
  6. Aerophobic
  7. The hole we are in
  8. Save the past
  9. Lava
  10. Too many broken cease fires
  11. Untiefen
Gesamtspielzeit: 51:12 min

Im Forum kommentieren

Marküs

2023-10-08 14:27:09

Absolutes Überalbum und absolute Überband. 4 Alben 4 absolute Meisterwerke

Kamm

2023-10-07 18:39:03

Definitiv eines der innovativsten Metal-Alben aus Deutschland.
Ach, ich lehne mich mal aus dem Fenster, überhaupt!

The MACHINA of God

2023-10-07 17:09:37

Auf Kopfhörern ein Genuss. Wie das bratzelt.

Klaus

2019-09-07 21:36:22

Allerdings. Und jetzt kommt sogar was neues? Ein Fall für "Die gibt es noch??"

The MACHINA of God

2019-09-07 20:20:48

Schon ein geiles Album.

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