Magnolia Electric Co. - Fading trails
Secretly Canadian / CargoVÖ: 15.09.2006
Vergessenes, Vergangenes, Verblühtes
Guten Morgen, liebe Welt! Auf, auf! Ein Zittern durchfährt den ganzen Körper, die Nervosität belebt sogar die Nasenspitze. Der Chef ist über den heutigen Tag in Kenntnis gesetzt. Man hat sich krank schreiben lassen. Die Stunden werden an den Fingern herabgezählt. Countdown: vier, drei, zwei, eins. Los geht’s zum Plattenhändler des Vertrauens. Die neue Veröffentlichung des Lieblingskünstlers steht ab heute in den Läden. Ist das nicht ein erfüllendes Gefühl? Ist das nicht ein Freudentag? Man will natürlich das Prachtstück als erstes in den Händen halten, es in die heimischen Hallen tragen und die ersten entscheidenden Momente genießen. Dann, wenn die Nadel das erste Mal aufsetzt, dann, wenn der Knopf zum Start gedrückt wird und ein neuer Abschnitt, eine neue Ära beginnt.
Freunde und Fans von Jason Molina haben da einen anderen Rhythmus. Sie stehen eingebettet zwischen silbernen Scheiben und schwarzen Tellern, nichtsahnend die komplette Musikdiskographie diverser Eigenbrötler am Durchstöbern. Die Lieferanten versorgen im gleichen Moment den Plattenhändler mit neuem Gut und Schund der Industrie der Klangkultur. Ist es nun ein Zufall, daß zwischen den Neuankömmlingen schon wieder ein neues Album, eine neue Single oder eine neue EP von Jason Molina und seinen vielen Inkarnationen steckt? Nein, kein Zufall. Fast schon eine unregelmäßige Regelmäßigkeit. Nicht einmal drei Wochen sind vergangen, seitdem Molina sein Album "Let me go, let me go, let me go" den eingeweihtesten Hörern präsentierte. Ein schwarzherziger Monolith mit tiefdunkler atmosphärischer Dichte. Eine US-only-Vinyl-only-Veröffentlichung, versteht sich.
"Fading trails" läßt dem Hörer keine Zeit zu verdauen. Hinter dieser Compilation stecken neun Kompositionen, die vier verschiedenen Aufnahmesessions entstammen. Von der längst vergangenen Homerecording-Zeit bis hin zur berechenbaren Neil-Young-Gedächtnis-Phase. Unter anderem eingespielt und produziert von David Lowery oder Steve Albini. Was also steckt nun hinter "Fading trails"? Eine Raritätensammlung? Ein Karriereüberblick? Wir wissen es nicht wirklich und lassen uns blind auf das konzeptionell verschwommene Album ein - fügen uns blind der verqueren Veröffentlichungspolitik von Jason Molina.
"Don’t fade on me" startet den achtundzwanzigminütigen Reigen als Anknüpfungspunkt zu seinen vorherigen Veröffentlichungen. Gekonnt, von vielen Mitspielern begleitet und unspektakulär, reitet der Südstaatenrock auf melancholischen Wellen. "The old horizon" steht unverhofft still am Firmament und belebt die Vergangenheit. Songs:Ohia halten für eine kurze Zeit Einzug. Ein einzelnes Piano stimmt an, verebbt im Nirgendwo. Molina verführt mit einer Oper der stillen Trauer. Die lebenslange Tristesse endet im endgültigen Versagen und in trauriger Reflexion. Und bevor uns das Gewitter aus Gitarren und Lautstärke der jüngsten Vegangenheit wieder einholt, das zwar einem beständigen Talent, aber keinem allzu großen Abwechslungsreichtum entspringt, schleichen wir uns vor zu der Großtat "Spanish moon fall and rise" und dem hypnotischen Schluß "Steady now". Akustisch, intensiv, nostalgisch, tragisch. "Everything in its place / The world does have to end in pain / Oh, steady now." Schönheit entspringt der Einsamkeit. Einmal mehr.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The old horizon
- Steady now
Tracklist
- Don't fade on me
- Montgomery
- Lonesome valley
- A little at a time
- The old horizon
- Memphis moon
- Talk to me devil, again
- Spanish moon fall and rise
- Steady now
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