The Thermals - The body, the blood, the machine
Sub Pop / CargoVÖ: 01.09.2006
Spaßbremsen
Auch der schreibfreudige Rezensent ist mal froh, wenn er ein Album erhält, das im Vorhinein schon genügend Sätze im Geiste erzeugt und ein beruhigendes Gefühl entstehen läßt. Er weiß, daß die Ware zwar gut ist, aber daß da auch nicht allzu viel zu schreiben ist. Endlich mal die Arbeit Arbeit sein lassen. Die faule Haut pflegen. In Unterhose respektive Schlafanzug die Bude rocken und dann den Chefredakteuren so was unterbreiten, wie: "Ja, nach intensiven Hörproben und einem starken Dialog zwischen dem Produkt und mir bin ich zu folgendem Ergebnis gekommen: kurz, knackig, gut." "Fuckin A"- Rezensent Daniel Gerhardt war dann wohl der letzte Glückliche dieser Thermals-Rezensenten-Spaßgeneration. Denn der Titel des nun anstehenden Nachfolgers "The body, the blood, the machine" bereitet schon vor dem ersten Hörgenuß ein kolossales Kopfzerbrechen.
Okay: "The body, the blood, the machine". Ach, Gottchen! Müssen wir uns vor diesem Aufmacher fürchten? Die Thermals drängen jetzt auf scharfe und offensive Aussagen? Vielleicht sogar in den politischen Protestsong für das Genre des Power-Pop-Post-Punk (diese Einordnung ist nach eigenem Ermessen rotierfähig und austauschbar)? Wirklich vorstellbar ist es nicht. Nicht diese Band, die vor drei Jahren mit ihrem zerschossenen Debüt "More parts per million" die Musiklandschaft eroberte. Nicht die Band, die in aller Kürze und Anarchie, mit einem Produktionsaufwand der unter Null tendierte, den konsequenten Punk in poplastiger Inkonsequenz selbst für die zum Thema machte, die in stark verhangenen Wohnungen vereinsamten und sonst nur Songwritern in emotionaler Endzeitstimmung Zugang gewährten. Einmal im Jahr hatten wir Spaß. Mit "Fuckin A" war das nicht anders. Yeah!
Um nun endlich den Hammer auf den Tisch zu schlagen: "The body, the blood, the machine" ist politisch, es ist ein Konzeptalbum, es übersteigt die Marke der dreißig Minuten! Und hinter all dem steckt eine gelungene Produktion des Fugazi-Members Brendan Canty. Es hat sich also einiges verändert im Kosmos der Thermals. Und nun die Frage, die wohl brennend interessiert: Lohnt das Album noch für all diejenigen, die zu den vorherigen beiden Großtaten ihre Körper auf und ab bewegten? "Here’s your future" beginnt im fiktiven, religiös-fundamentalistischen Staatsszenario, das dieses Album ganz und gar durchzieht. "God reached his hands down from the sky / He flooded the land, then he set it afire / He said: 'Fear me again. Know I’m your father. Remember that no one can breath under water. […] Here’s your future. It’s gonna rain…'". Möchte man da nicht vor Ehrfurcht erstarren? Nicht wirklich, denn das erste zittrig-aggressive "Here’s your future" aus Hutch Harris Kehle treibt den Rhythmus nach vorne, läutet ein zu einer rockistischen Revolution und Staatsuntergrabung ohne Pause.
Zwar geht die Band im Gesamten nicht mehr so wunderbar ungestüm an die Songs heran, sie bedient sich sogar an deutlich konservativeren Strukturen - doch eine grandiose Reise ohne Rast und Atem bleibt auch "The body, the blood, the machine" und reiht sich damit problemlos in den Bandkosmos ein, mit etwas mehr, aber nicht allzu viel musikalischem Abwechslungsreichtum (den bei den Thermals eh niemand möchte). Und für den kurzen Moment, angetrieben durch Hymnen wie "An ear for baby" oder "Back to the sea", verwandeln wir uns in beständige Revolutionäre, die sich auflehnen gegen diesen unscheinbaren Gott, gegen den unterdrückenden Glauben, gegen das unsichere Morgen, gegen das fundamentalistische Staatssystem. Aber nur wenn es nicht beim Tanzen stört.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Here's your future
- Test pattern
- Back to the sea
Tracklist
- Here's your future
- I might need to kill
- An ear for baby
- A pillar of salt
- Returning to the fold
- Test pattern
- St. Rosa and the swallows
- Back to the sea
- Power doesn't run on nothing
- I hold the sound
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noise
2020-05-29 17:11:33
Die Band hat viele ordentliche bis gute Alben herausgebracht. Aber diese bleibt für mich ihre beste.
eric
2020-05-29 16:44:25
Bei mir war und pendelt das hier immer zwischen 8/10 und 10/10. Fantastische Platte und vollgepumpt mit Ideen und Wucht.
Nach diesem Album wurden The Thermals auf Strecke etwas beliebiger. Etliche gute Tracks waren aber immer noch dabei.
Hoschi
2020-05-29 11:46:39
Ist wirklich ein Stimmungsalbum:
Von 5/10 bis hin zu 9/10 ist, je nach Tagesform, bei mir alles drin was das Album angeht.
Pillars of Salt bleibt aber immer ne 10/10 :)
Gordon Fraser
2020-05-29 00:22:26
dieser Übergang von 2 zu 3, da könnte ich jedes Mal vor Freude schreien.
Aber sowas von!
Bonzo
2020-05-28 22:50:40
Die 8/10 vor 11 Jahren war nur ein Scherz. 7/10 in der Review bestimmt auch.
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