Motörhead - Kiss of death
Steamhammer / SPVVÖ: 25.08.2006
Kolbenfresser
Im letzten Sommer war es soweit: Motörhead mußten ein paar Festivals absagen, weil ihr Frontmann unpäßlich war. Wegen Dehydratation und Erschöpfung war Lemmy Kilmister zusammengeklappt und in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert worden. Ausgerechnet Dehydratation, mag man da sagen, insbesondere nach Drummer Mikkey Dees wahrhaft trockenem Statement: "Ich muß acht Flaschen Gatorade trinken und dazu noch Wasser, um diese Shows zu überstehen. Ich werde fast ohnmächtig, und Lemmy schwitzt wie irre, während er Jack Daniel's und Cola trinkt." Neuerdings eben mit mehr Eis. Reicht doch.
Nun, dem Arbeitseifer des Herren Kilmister, der mittlerweile für alle überraschend das siebte Lebensjahrzehnt begonnen hat, scheint dies nicht geschadet zu haben. Brav wurde erneut der wie ein Gesetz erscheinende Veröffentlichungszyklus von exakt zwei Jahren eingehalten. Doch von Fließbandarbeit oder etwa Ruhe keine Spur. Im Gegenteil, kracht doch "Sucker" rotzig wie selten aus den Lautsprechern. We are Motörhead, born to kick your ass.
Wieder einmal geben die Herren Kilmister, Campbell und Dee dem Volk das, was es erwartet: tabak- und whiskeyschwangere Songs mit Bleifuß. Mit Texten, die mitunter erstaunlichen Tiefgang haben, wenn man beispielsweise das großartige "God was never on your side" betrachtet. Das Auge zwinkert hier nicht, sondern beobachtet die (scheinbare?) Diskrepanz zwischen Religion und Kirche, deren Versprechungen und der Realität. Und das alles in Form einer Ballade, die man Lemmy hier eher abnimmt als weiland "Love me forever".
Nicht erst seit dieser Platte fällt auf, daß die Songs deutlich an Qualität gewonnen haben, seit Phil Campbell und Mikkey Dee stärker ins Songwriting involviert sind. Insbesondere Campbells Gitarrenspiel sprüht vor Spielfreude. Und somit wird die Geschichte über eine alte Freundin, die Lemmy aus Diskretionsgründen einfach mal "Christine" genannt hat, zu einem rockenden und rollenden Groove-Monster. Schön!
Dennoch hat sich dieses Mal ein wenig Füllmaterial angesammelt. Nicht wirklich schlecht, aber doch übermäßig routiniert kommen Songs wie "One night stand" oder "Be my baby" daher. Das bedeutet allerdings nicht, daß "Kiss of death" nun der Kategorie "Ausfall" zugeordnet werden muß. In Summe sind Motörhead auch im Jahr 2006 wieder überzeugend. Und wer weiß? Vielleicht steht auf der nächsten Tour neben dem Jackie-Cola-Glas ja dann doch noch eine zusätzliche Flasche Wasser. Für ausdauerndere Durchschlagskraft.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Sucker
- God was never on your side
- Christine
Tracklist
- Sucker
- One night stand
- Devil I know
- Trigger
- Under the gun
- God was never on your side
- Living in the past
- Christine
- Sword of glory
- Be my baby
- Kingdom of the worm
- Going down
Referenzen
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