Gem - Escapades
Excelsior / Haldern Pop / CargoVÖ: 25.08.2006
Raubkatzen
Und auf einmal funktionieren alle Aufgeregtheiten, die sonst den Rockpopzirkus beherrschen, nicht mehr. Gem kommen aus Utrecht/Holland und haben keine Biografie, die sie in weltlichen Kreisen verortet. Minuspunkt! Außerdem ist das niederländische Königreich nicht bekannt für seine euphorische Musikpresse, die Gem auf einen Schlag über den Frittenäquator hinaus bekannt machen könnte. Minuspunkt! Obendrein machen die fünf Herren Musik, die in den Sechzigern ihren Anfang nahm und Jahr für Jahr stetig nur vitalisiert wird. Minuspunkt. Warum also klingen diese vier Herren dennoch so verdammt jugendlich, so herzergreifend ruppig und manchmal so unaufgeregt sympathisch?
Es gab einen Tag im Leben von Gem, da war die Zukunft rosaroter denn je. 2003 spielten sie einen Gig gemeinsam mit einer Band namens The Libertines. Deren Personal war schon damals um einen gewissen Pete Doherty geschrumpft. Und so war es dem niederländischen Quintett aus Utrecht vorbehalten, die Kollegen an die Wand zu spielen. Sie taten es und reservierten sich so einige Plätze in Herzen diverser Menschen, die von Musik Ahnung haben. Sie spielten beim Haldern-Pop-Festival, sie landeten beim niederländischen Excelsior-Label, sie spielten in Brighton, sie supporteten die Editors und bringen nun endlich ihr zweites Album heraus. "Tell me what's new" hieß das Debüt. "Escapades" muß die Antwort auf diese Aufforderung lauten!
Es verwundert immer, welche Referenzen Gem angehaftet werden, um sie in einem musikalischen Kontext zu verorten. Von Oasis wird erzählt, von den Arctic Monkeys, manchmal gar von den Beach Boys. Alles Quatsch! Es sind die Strokes. Die Strokes. Die Strokes. Dreimal muß man das schreiben, um es auch dem letzten Horst klar zu machen. Die musikalische Parallele ist zuallererst einmal begründet in der prägnanten wie brillanten Stimme des Frontmanns Maurits Westerik, wie sie sich so rau und ruppig durch Songs wie "The subterranean parade" oder "Fight on" bürstet. Es liegt aber auch an im Hintergrund verwegen wirbelnden Gitarrentönen von Bas de Graaf, die sich in schöner Regelmäßigkeit nach vorne bewegen wie in "Go!". An den stampfenden Gitarren von Vincent Lemmen, die in "All I want is you" gar Beatmaschine sind. Und die Ähnlichkeit zu den Strokes ist begründet in dieser nonchalanten Schluffigkeit, mit der Gem ihre Lieder interpretieren. Es ist Herzblut im Spiel. Und dafür muß man dieses Album mögen. Auch dafür, daß mit "Let it out get it out" und "Lose the booze" zwei der stärksten Songs ganz hinten versteckt sind.
Um aber all diese Leidenschaft auf einen Punkt zu bringen, bedarf es nur eines einzigen Songs. Der heißt "Strangers in the night", hat mit der Nummer vom guten Sinatra nur den Titel gemein und erzählt mit viel "Uhuhuuuu" und "Dadäng Dadäng" von einem zweisamen Ausflug in die Nacht. "We are strangers in the night / When the love feels oh so right / When you're over." Die Nacht geht erst richtig los, wenn Du bereits voll in den Seilen hängst! Dies genau bringt wahrscheinlich die musikalische Attitüde von Gem auf den Punkt. Live und auf Platte sind die Burschen wie Tiger. Die fletschen die Zähne bis zur Erschöpfung. Und wenn sie nicht mehr können, machen sie einfach weiter. Gegenüber dem Vorgängeralbum fehlt eigentlich nur eines: der Überraschungsfaktor. Aber das ist ja nur wieder einer dieser tradierter Mythen des Rock, die wir zu Beginn als obsolet entlarvt hatten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Strangers in the night
- Let it out get it out
- Lose the booze
Tracklist
- All I want is you
- The subterranean parade
- Go!
- Fight on
- Strangers in the night
- Talk talk talk
- Someone
- Good to know you
- Move on
- Turn it on
- Let it out get it out
- Lose the booze
Referenzen