Stephen Malkmus - Stephen Malkmus
VirginVÖ: 12.02.2001
Dinner for one
Das aufgebrachte Volk wurde aus Sicherheitsgründen schon im Vorfeld beruhigt: "Ich hasse es, das zu sagen, aber es ist dasselbe wie bei Pavement, nur mit einer anderen Rhythmus-Sektion", ließ Stephen Malkmus über sein Solodebüt verlautbaren. Immerhin war diese Nachricht ein kleines Trostpflaster auf die ungetrockneten Tränen, die die absehbare Auflösung von Pavement bei den Fans hinterlassen hatte. Doch Malkmus wäre nicht Malkmus, wenn er einen nicht wenigstens einen Track lang im Dunkeln tappen lassen würde: Zum Auftakt seines Solodebüts schlägt er ein verwinkeltes "Black book" auf, das auch zwischen den Zeilen nicht eine Silbe des tiefsinnigen Humors versteckt hält, den Pavement immer auszeichnete. "The black book you took was permanently diversified" - die durchaus gelungene Orient-Ballade läßt dem engstirnigen Pavement-Fan das Feuer in die Augen steigen, erst recht wenn zudem über Titel wie "Pink India" und Textzeilen wie "I'm the king of Siam" (aus "Jo Jo's jacket") stolpert. Stephen Malkmus goes Yoga?
Weit gefehlt. Malkmus kann nun mal nicht anders als zu verwirren, und aus seiner Haut als verschrobener Indie-Rocker kann er schon ganz und gar nicht. Er hat seine Drohung wahrgemacht und klingt auf seinem Solodebüt wie eh und je: merkwürdig, charmant und grundsätzlich einen halben Ton daneben. Ein klein wenig ruhiger mag er vielleicht über die Jahre hinweg geworden sein, aber keineswegs ruhig: Das vollkommen ungestüme Element aus den Anfangstagen fehlt inzwischen gänzlich, doch schmerzlich vermißt wird es wie schon auf dem letzten Pavement-Album "Terror twilight" nur dann, wenn die putzigen Melodien wie im Falle von "Pink India" oder "Trojan curfew" in ihrer eigenen Gleichförmigkeit versanden.
Wirklich erwachsen wirkt Malkmus auch heute noch nicht. Welcher Künstler außer ihm schafft es nach über zehn Jahren im Musikbiz, in ein Cartoon-Shirt gewandet vom Coverfoto zu blicken wie ein verschmitzter kleiner Junge, dem man das Spielzeug weggenommen hat? Vermutlich keiner. Stephen hat es nach wie vor faustdick hinter den Ohren und ein Arsenal an Reserve-Spielzeugen auf Lager. Was lange währte, ist immer noch gut: "Church on white" läßt die Kirche im Pavement-Dorf und groovt entspannt wie eh und je, während Malkmus ein sinniges "All you really wanted was everything" schwelgt. "Jenny + the ess-dog" spinnt diesen Grundsatz weiter und erzählt die köstliche Geschichte der achtzehnjährigen Jennifer, die sich nichtsahnend auf den "Ess-dog [...] with the 60ies cover van" einläßt und mit ihm ihr blaues Wunder erlebt. Ein kurzes Vergnügen ist hingegen "Troubbble" (nur echt mit dem Dreifach-B), bei dem eine zuckersüße Xylophon-Melodie vor sich hin pluckert und in dem in gerade mal eineinhalb Minuten mehr Hitpotential steckt als bei anderen in einem ganzen Album. Der berühmte "Song 2" von Blur läßt grüßen, doch statt einem hysterischen "Wooo hoo" buchstabiert Malkmus lieber unermüdlich "T-R-O-U-B-B-B-L-E".
Nachdem die Bordsteine endgültig hochgeklappt sind, macht es sich Stephen Malkmus nun alleine in der warmen Stube gemütlich und schwelgt in der eigenen Vergangenheit. Die "Mellon candles" sind erleuchtet und sein Tischlein prall gedeckt mit schmackhaften Früchten für den Gourmet. Während draußen in der Musikwelt sein inszeniertes Feuerwerk an Ideen in die Luft geht, genießt es Stephen Malkmus, einmal mehr die ganze Welt zum Narren zu halten. Sein Reich ist gesäumt von bissigen Eisbärfellen, verrückten Melodien und allerlei charmanten Seltsamkeiten, über die der Hörer stolpert wie ehedem, während Stephen sich ins Fäustchen lacht. The same procedure as last year? The same procedure as every year.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Black book
- Troubble
- Jenny + the Ess-dog
Tracklist
- Black book
- Phantasies
- Piano intro/Jo Jo's jacket
- The hook
- Perfect intro forever
- Discretion grove
- Church on white
- Troubbble
- Pink India
- Vague space
- Mellon candle intro
- Jenny + the Ess-dog
- Trojan curfew
- Deado/Half speed
Im Forum kommentieren
The MACHINA of God
2020-03-09 14:38:15
Da haben wir fast schon die gleichen Highlights.
Garmadon
2020-03-09 14:06:37
...Einstieg...,das...
und wo ist eigentlich die Editier-Funktion?
Garmadon
2020-03-09 14:03:22
Nachdem mir das Album als Einstig in die Malkmus/Jicks Diskographie empfohlen wurde, gibt es Kommentar Nummer 5:
Die ersten Eindrücke sind sehr gut - ein Album, dass ich in den letzten fast 20 Jahren sicher des Öfteren gehört hätte, wenn ich es denn gekannt hätte. (Ähm ja :-D)
Favoriten bisher: "Church on White", "Trojan Curfew" (toller Text!) und das überragende "Jenny & the Ess-Dog".
Herder
2016-10-24 21:39:28
Stimmt, eine sehr schöne Platte mit viel Witz und Charme. Ob das jetzt wirklich in den ganz oberen Indie-Rock-Sphären angesiedelt ist weiß ich nun nicht, dennoch hätte das Album mehr als vier Kommentare verdient.
The MACHINA of God
2016-10-24 14:03:43
2 Beiträge für dieses tolle Album. Wunderbar leicht. Spielt für mich die meisten Indie-Pop-Alben an die Wand. Auch dank Malkmus' unverkennbarem Witz.
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