Nelly Furtado - Loose

Geffen / Universal
VÖ: 09.06.2006
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Truth hurts

Niemand hat sich jemals die Mühe gemacht, ihren Sinn ordentlich zu hinterfragen. Stattdessen wurden sie einfach so hingenommen, ähnlich wie Linkshänderscheren, Waschlappen, Bier aus Plastikfläschchen oder die wachsige Extraverpackung um den Babybel-Käse herum. Genau genommen weiß sogar kein Mensch, wozu sie gut sind. Aber wegzudenken sind sie natürlich längst aus keinem Studio mehr: die Produzenten. Sie kennen sich schließlich mit analoger Aufnahmetechnik aus, auch wenn sie mittlerweile auf digital schwören. Sie haben das Mischpult da drüben noch nie benutzt, aber sie könnten, wenn sie wollten. Und sie sind die neuen Rockstars. Sagt Nelly Furtado zumindest. Und meint Leute wie Timbaland, Pharell oder Nellee Hooper. Was ziemlich freundlich ist, wenn man bedenkt, daß die Herren gerade erst ihr neues Album verhunzt haben.

Wenn es denn wirklich seine Vorteile hat, daß die immergleichen Menschen seit mehreren Jahren die immergleichen Künstler bei der immergleichen Studioarbeit beschatten, dann soll natürlich auch "Loose" davon profitieren. Die Platte klingt sehr trocken und unaufgescheucht, hat Kraft in den Beinen und eine Killersingle dabei, immerhin. Wir sprechen hier schließlich über eine Timbaland-Produktion, da kommt ja dann gar nichts anderes in Frage. Also "Maneater". Herrschaft bis zum Herbst, mindestens, in allen Clubs ohne Kleiderordnung. Ein Fiepen und Stampfen um Furtados neue Domina-Stimme herum, eine Britney-Spears-Single in richtig gemacht, wenn man so will. Keine Ahnung, wo der Bartel den Most holt. Wir wissen nur, daß er dabei diesen Track hört.

Weil gleich hinterher auch "Promiscuous" und "Glow" sehr gut zurechtkommen mit 80s-Disco und Schampus-HipHop, wäre einem beinahe gar nicht aufgefallen, daß es eine ziemliche Schnapsidee ist, Sweet Nelly zum windigen Vamp umbauen zu wollen. Zwischen all den großzügig behangenen Rappern gehen ihre unscheinbaren Einsfünfundfünfzig bisweilen völlig verloren. Das Reimemonster in Furtado ist dann doch eher ein schnurrendes Schmusekätzchen. Und uns kann sowieso keiner erzählen, daß hierbei keine bessere Platte rausgekommen wäre, wenn sie sich mit Akustikgitarre und Kassettenrekorder zwei Wochen lang im Schlafzimmer verkrochen hätte. Obwohl das Problem von "Loose" letzten Endes ein ganz anderes ist.

Es ist die aufgesetzte Latinahaftigkeit der ganzen Geschichte, die man Furtado einfach nicht abkaufen will. Es ist das Rumrasseln mit ein paar Mexiko-Elementen, wegen dem sich alle Beteiligten gleich so furchtbar urban vorkommen. Und es ist außerdem die Doppelstunde Spanischunterricht mitten im Album, die sich natürlich auch der Dritte-Welt-Bono Juanes nicht nehmen läßt. "Te busque" heißt der Song, sein Corazón gerät en fuego, aber man sucht jetzt nicht unbedingt panisch nach einem Wassereimer, um ehrlich zu sein. Schlauer war es da schon, mit HipHop-Landstreicher K-Os zu jammen und später dann Chris Martin an der abschließenden Entspannungsübung "All good things" mitschreiben zu lassen. Auch wenn da freilich nicht mehr viel rauszureißen ist. Nelly Furtado? So sehen Verlierer aus.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Maneater
  • Glow

Tracklist

  1. Afraid (feat. Attitude)
  2. Maneater
  3. Promiscuous (feat. Timbaland)
  4. Glow
  5. Showtime
  6. No hay igual
  7. Te busque (feat. Juanes)
  8. Say it right
  9. Do it
  10. In God's hands
  11. Wait for you
  12. Somebody to love
  13. All good things (Come to an end)
Gesamtspielzeit: 55:09 min

Im Forum kommentieren

Arne L.

2024-08-01 14:56:58

Oh, das ist wirklich eine Fehlbewertung gewesen, finde ich. War halt Zeitgeist und hat immer noch Hits. Wohl eher 6/10

Kojiro

2023-10-30 22:06:19

Gibt ab 1.12. jetzt eine offizielle Reissue auf Vinyl.

Felix H

2021-12-12 14:51:26

Es geht nicht ums trauen, sondern ob man mit dem Genre was anfangen kann. Und "Loose" hat schon einige sehr starke Songs. Da war Timbaland zwar schon omnipräsent, hatte aber noch einige solide Einfälle.

dancingdays

2021-12-12 13:07:37

Tjoa, damals traute man sich noch, klare Kante gegen berechnenden Mainstreampop zu zeigen, was sich auch an der Wortwahl der Rezensionen widerspiegelte. Heutzutage würde so etwas wohl mit einer Triggerwarnung versehen werden und der Autor dieser Rezi hat sich sowieso um 180° gewandelt und ist zum Super-Feministen geworden.

Mit "Folklore" gehörte Nelly definitiv zu den Guten. Danach wurde leider ein Weg mit billigen Beats von der Stange eingeschlagen.

Sheesh

2021-12-12 12:34:24

Hart peinlich, wie hier die gute zu "Loose"-Zeiten rezipiert wurde. Das grenzt schon an Parodie.

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