Clueso - Weit weg

Four / Sony BMG
VÖ: 19.05.2006
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der Weichmacher

Wir geben es gerne zu: Einen deutschsprachigen HipHop-Künstler bei Plattentests.de anzutreffen, hat wahren Seltenheitswert. Da haben wir die Institution der Fantastischen Vier, da groovt sich mal Max Herre für eine Rezension in Szene, und auch die Beginner hatten schon die Ehre. Aber so richtig vom Affen gebissen wurden wir noch nicht. Wird man uns nun als ignorant bezeichnen oder vielleicht gar als unvermögend? Manche werden uns als feige deklarieren, die anderen als geschmackssicher preisen. Wie dem auch sei: Mit Clueso haben wir einen neuen Kandidaten, der antritt, um uns davon zu überzeugen, daß wir mit Scheuklappen durch die Popwelt der Nation rennen. Und soviel ist sicher: Willkommen heißen wir ihn gerne. Soll noch einer sagen, wir wären hier nicht tolerant.

Ein Unbekannter ist Clueso nun wirklich nicht mehr. Mit seinem Überraschungshit "Kein Bock zu geh'n" hat er uns erst letztes Jahr an den Ohren lang gezogen und zum heimlichen Wippen am Baggersee verführt. Zum Glück hat das niemand gesehen, aber den smarten Kerl aus Erfurt behielten wir sicherheitshalber mal im Auge. Ob es sich gelohnt hat? "Weit weg" haut uns zwar nicht vom Hocker. Aber eine Ergänzung für jedes Plattenregal mit Schwerpunkt Singer-/Songwriter ist die Scheibe allemal.

So richtig wohlig warm, mit Sommerlaune und Badehosenfaktor, wird es das erste Mal bei "Mach's gut". So haben wir uns das vorgestellt. Mit Strohhalm im Mundwinkel und Cocktail als Inhalt. In "Bleib einfach hier", mit echter Sting-Gedächtnisakkrobatik à la "An Englishman in New York", wandert Clueso weiter auf bekannten Straßen, bis er bei "Da wohnt so'n Typ" gemeinsame Sachen mit dem schon erwähnten Max Herre macht. Das riecht schon sehr professionell, abgeklärt und durchgeweht. Der textliche Anspruch hängt zwar in gewissem Abstand zur musikalischen Darbietung in einer durchgelegenen Hängematte ab. Aber Spaß ist eben, was der Musiker daraus macht. Mit "Chicago" pflanzt der Spezi von Thomas D. ein astreines Chill-Out-Pflänzchen, der dem Freundeskreisschen "Esperanto" in nichts nachsteht. Da weht der Sommerwind um die Nase, und durch die Sonnenbrille sieht man vielleicht Anna und ihre durchnäßten Haare.

Doch trotz der tropischen Temperaturen: So richtig zünden will die Platte nicht. Zwar könnte man aufgrund der sommerlichen Atmosphäre der Platte fast soweit gehen und Clueso als Jack Johnson der deutschsprachigen Rapgemeinde anpreisen. Und sicherlich würde dieser Vergleich noch nicht einmal hinken. Doch während Johnson emotionale Kniefälle tätigt, rotiert Clueso mit einer extra Portion Weichspüler in der Waschmaschine. Kugelrundes Songwriting, windelwarme Beats und zelebriertes Zeitlupenchilling. Da sehnt man sich nach einem kräftigen Arschtritt. Oder nach dem Schleudergang.

(Christian Preußer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mach's gut
  • Chicago
  • Überall bist du!

Tracklist

  1. Frische Luft
  2. Sterblich
  3. Mach's gut
  4. Bleib einfach hier
  5. Da wohnt so'n Typ
  6. Weit weg
  7. Schwer
  8. Chicago
  9. Mein bestes
  10. Viel gesehen
  11. Ey Tino
  12. Überall bist du!
  13. Morgen gestern
  14. Crash
  15. Hirn ein
  16. Winter Sommer
  17. Out of space
Gesamtspielzeit: 50:55 min

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