Blackmail - Aerial view
City Slang / Rough TradeVÖ: 13.01.2006
Panorama
Stürmisches Gewitter, dunkle Wolken, orientierungslose Schritte. Die Geschichte vom Erlkönig auf Koblenzerisch war beeindruckend und gespickt voll großer Momente. Böse Zungen behaupteten, man hätte nach "Bliss, please" den Pop im Wald verschachert und dem Schiller die Axt entliehen. Zurecht? Blödsinn? Die Geister waren sich sicher: An Blackmail wird man sich messen lassen müssen. Im Jahre 2005 suchte sich die Band eine Lichtung und legte ein Picknick ein. Was Platz für die Sonnenseite des kreativen Schaffens brachte. Man werkelte an vielen Nebenschauplätzen, wechselte das Label und zog auf zu neuen Taten.
Blackmail haben es wieder getan: Zwar reitet man mit "Aerial view" nicht mehr so ungestüm und rasant durch Nacht und Wind. Doch ein Spaziergang läuft sich anders. Der Opener "Electricido", ein zuckender, quirliger 88-Sekünder, schnellt nach vorne und läßt die Marschrichtung offen. "Hoffentlich geht da nichts schief", murmelt man noch überrascht in seinen Bart, ehe die Skepsis mittels "Moonpigs" über die Schulter gepustet wird. Eine wabernde Soundwand unterlegt die nölende Stimme Aydo Abays, der sich in seinen Melodiebögen suhlt, als stecke er mitten unter seinen Protagonisten. In den Vordergrund reihen sich elektronische Spielereien, und selbst einen Männerchor macht man aus, der nicht nach lokaler Turnhalle und Gesangsverein klingt. "Away with the fairies" versprüht einen galanten Popcharme im Schafspelz, der in einer Herde Wölfe mit Sicherheit beneidet werden würde. Sitzt, wackelt und hat Platz. Und man wagt es kaum auszusprechen, aber hat "Never and forever" nicht eine Britpopanleihe versteckt? Ist da nicht ein Seitenscheitel platziert? Butterweich, verspielt. Lakonisch.
Die vier Mannen geben sich die Klinke in die Hand. "Friend or foe" war gestern, "Aerial view" ist heute. Eine Rückkehr zur glatten, gradlinigen Melodie? Bestimmt. Die Abkehr von Leidenschaft und Tiefgang? Auf keinen Fall. Hauptsächlich finden sich die Haken und Ösen knapp unter der Oberfläche angesiedelt. Die Keyboards in "Splinter" etwa oder die zarten Posaunenklänge in "Couldn't care less". Viel feiner wurde diesmal gewerkelt. Man möchte fast sagen: ruhiger, überlegter. Das irrwitzige Schlagzeugspiel von Mario Matthias hält noch immer den Rücken der Saitenfraktion frei, und aus Kurt Ebelhäuser strömt auch weiterhin ein brodelnder Output. Doch merkt man, daß hier zwanglos und frei aufgespielt wurde. Ob es am neuen Label liegt? An der neuen Regierung? Oder gar am Jägermeistergenuß? Im Hause Blackmail läuft der Hase rund. Immerhin. Das nächste mal aber gerne wieder mehr Unruhe.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Moonpigs
- Away with the fairies
- Never forever
Tracklist
- Electricido
- Moonpigs
- Everyone safe
- Couldn't care less
- Meddlesome
- Away with the fairies
- Me & my shadow
- Never forever
- Splinter
- Armory
- Soulblind
Im Forum kommentieren
Dan
2023-03-30 00:21:28
Ich fand den Nachfolger eigentlich auch ziemlich gut und den ein oder anderen Song sogar überragend, aber "Aerial View" ist alles so schön kompakt. Es franst nichts aus und geht nicht ins Extreme wie bei den Vorgängern und dem Nachfolger. Vielleicht ist genau das, was manche damals wohl eher gestört hat?!
boneless
2023-03-28 22:44:00
Bis einschließlich diesem Album waren die Koblenzer essenziell, danach zumindest für mich nicht mehr wirklich der Rede wert. Der Popfaktor auf Aerial View ist ein anderer als auf dem umwerfenden Bliss, Please, aber ähnlich faszinierend, auch wenn die beiden Alben schon noch ein gutes Stück trennen.
noise
2023-03-28 22:20:57
Ich habe das Album auch letztens wieder gehört. Meine Meinung: Es war damals gut, ist auch noch heute gut und wird voraussichtlich weiterhin ein sehr gutes Album bleiben. Fast schon zu gut für Blackmail produziert.
Bonzo
2023-03-28 22:00:29
Ich habe es diese Woche auch das erste Mal seit 15 (lol) Jahren gehört und fand es viel besser als gedacht. ^^
The MACHINA of God
2023-03-28 21:56:44
OK, ich muss Abbitte leisten. Das Album ist viel besser und vor allem viel "lauter" als in Erinnerung. Hmm, was war da nur los?
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