Earth - Hex; or printing in the infernal method

Southern Lord / Southern / Soulfood
VÖ: 21.10.2005
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Spiel mir das Lied vom Tod

So etwas hatte sich anno 1992 Kurt Cobains wahrscheinlich dickster Kumpel nicht träumen lassen: Auf seine Rekonsolidierung der Theorien von Urminimalist LaMonte Young mit Hilfe der elektrischen Gitarre - genannt "Earth 2: Special low frenquency version" - folgte nach und nach Unglaubliches. Sicher, Dylan Carlson war nicht der erste und auch nicht der zweite, der die Vision einer monotonen Klangflut verfolgte oder die Restschwingung über die Note erhob: Schon Musique-concrète-Vater Pierre Schaeffer war Anfang der Fünfziger fasziniert von der Idee eines "endlosen tonalen Fragments, das weder Anfang noch Ende besitzt"; und auch Alvin Lucier hatte das Eigenleben der Resonanz bereits ausgiebigst ergründet. Doch Carlson war es, der mit Earth zum ersten Mal dies alles konsequent in einen Rock- oder Metalkontext verfrachtete.

Zwischen damals und heute ist viel passiert. Anno 2005 dürfen Earth mit Fug und Recht von sich behaupten, eine der wegweisendsten und einflußsreichsten Bands der letzten Dekade zu sein. Und das Jahr 2005 ist es auch, da Dylan Carlson die schier endlose Periode der Stille bricht: "Hex; or printing in the infernal method" ist das erste vollwertige Earth-Album seit neun Jahren. Ein triftiger Grund mehr, eine neue oder zumindest eine stark modifizierte Vision zu erwarten. Und tatsächlich: Carlson ruht sich nicht auf dem neu gewonnenen Ruhm alter Tage aus. Schon Titel und das sepiagetränkte Cover der Neuen lassen erahnen, wohin sich seine einzigartige musikalische Vision diesmal bewegt.

"Hex signs" - mystisch religiöse Symbole des Glaubens, die den christlich-orthodoxen Siedlern Pennsylvanias im 19. Jahrhundert als Talismane gegen Dürre und zum Schutz der Familie an Häusern und Scheunen prangten. Befangen von der Gespenstigkeit und Esoterik dieser Tradition, taucht Carlson in bewußt verdunkelte, statische Bildwelten eines Sergio-Leone-Western. Mit Earthscher Bedächtigkeit entfalten sich schleichend dünne, spinnwebenartige Riffs auf Pedal Steel, Telecaster, Banjo und modulierendem, postpulsierendem Baß. Der trockene und dennoch bombastische Schlagzeugklang - fast ausschließlich reduziert auf Ridebecken, Baß- und Snaredrum - das Ganze ebenso sparsam untermalend.

Nicht zuletzt Songtitel wie "The dry lake" oder "Left in the desert" machen es deutlich: Carlson erzählt hier keine lebendigen Geschichten mit theatralischen Spannungskurven. Er entwirft panoptisch abstrakte, starre Bilder der nordamerikanischen Geschichte. Irgendwie menschenleer, fern zwischen staubigem Abenteuergeist und abstrusem Mysterium. "Hex" rezitiert so vieles - die tiefstimmigen, repetitiven Instrumentals eines Duane Eddy, die Soundtracks von Ennio Morricone, die Lynchsche Atmosphäre der frühen Bohren-&-Der-Club-Of-Gore-Werke und am Ende doch nichts. Carlson umschifft es gekonnt, bei allen zaghaft angetippten Klischees allzu offensichtlich in eine Richtung abzudriften, verweilt geschickt in der Unbestimmtheit und erzeugt so ein Spannungsfeld zwischen automatisierter Assoziation und dem Abstraktem. Ein Album mit der Schönheit der Ungewißheit.

(Stefan Färber)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Land of some other order
  • Lens of unrectified night
  • The dry lake

Tracklist

  1. Mirage
  2. Land of some other order
  3. The dire and ever circling wolves
  4. Left in the desert
  5. Lens of unrectified night
  6. An inquest concerning teeth
  7. Raiford (The felon wind)
  8. The dry lake
  9. Tethered to the polestar
Gesamtspielzeit: 46:26 min

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