Richard Hawley - Coles Corner
Mute / EMIVÖ: 05.09.2005
De-lovely
Bestimmt nicht ganz zufällig stehen Richard Hawleys Initialen in goldenen, geschwungenen Buchstaben auf jeder freien Fläche seiner neuen Platte. "RH", feierlich und würdevoll, wie auf einem individuell angepaßten Handtuch, das für Frank Sinatra und seine Kumpanen bereit lag, während sie das Sands Hotel in Vegas verzauberten. Und sich gegenseitig unter den Tisch soffen. Gerade weil kürzlich erst wieder ein Haufen Mißversteher (Naidoo, Mittermaier, Reamonn-Rea und Sasha) unter dem Deckmantel des guten Zwecks im Friedhofsbezirk des Rat Packs wilderte, braucht es Leute wie Hawley auch heute noch. Leute, die mit Mikro in der Rechten und Cognac-Schwenker in der Linken eine imaginierte Showtreppe heurntercroonen. Ihren Smoking zurechtzuckeln. Und dann die traurigsten Lieder singen, die einem gebrochenen Mann einfallen können.
Im vergangenen Frühling dürfte demnach ein kleiner Lebenstraum für Hawley in Erfüllung gegangen sein. Mit stolzgeschwelltem Bariton trat er als Support Act zur Europa-Tournee von Nancy Sinatra an, entführte manchen Besucher in selige Ol'-Blue-Eyes-Zeiten und brachte glatt die Verwandtschaftsverhältnisse durcheinander. Klang dieser gleichsam betrübte wie anrührende Mann aus Sheffield nicht viel mehr nach einem Sinatra als die schlecht geliftete Dame aus dem Hauptprogramm? "Coles Corner", Hawleys drittes Soloalbum nach Beschäftigungen als Tour-Gitarrist bei Pulp und Bandleader der Longpigs, macht solche Vermutungen jedenfalls auch nicht abwegiger. Noch deutlicher als bisher bezieht er Position auf Seiten des Rat Packs. Und schert sich um Modernes, wie Frank und Co. früher um bedenkliche Leberwerte.
Die Verschwendungssucht, mit der im ehrwürdigen Titeltrack hier die Violinen arrangiert werden, wird sich allerdings nicht als exemplarisch für "Coles Corner" herausstellen. Kaum mehr hörbar ist die Gitarre etwa, wenn Hawley seine Stimme für "Who's going to shoe your pretty little feet?" mit Samt auslegt. Beinahe beschwingt tänzelt er durch die vordergründige Leichtigkeit von "Just like the rain". Und wenn in "(Wading through) The waters of my time" eine Pedal Steel zerfließt, ist man Nashville ohnehin plötzlich sehr viel näher als Las Vegas. Bessere Laune wird Hawley aber auch dort nicht finden.
Überhaupt ist "Coles Corner" selbst für die Verhältnisse einsamer Singer/Songwriter ein sehr schwermütiges Album geworden. Zu selbsterklärenden Songtiteln kommen meist rotweinende Texte übers Verlassenwerden und -sein. "Hotel room" beweist, daß man die Schultern auch im Walzertakt prima hängen lassen kann. Und wenn Hawley seiner Angebeteten mit zitternder Stimme einmal "Darlin' wait for me" hinterhersingt, steigt sie natürlich trotzdem ins wartende Taxi ein. Ob es an der Gleichförmigkeit mancher "Coles Corner"-Ballade liegt? Oder Hawleys mitunter enervierendem Selbstmitleid? Man weiß es nicht. Aber ein Einzelzimmer im Heartbreak Hotel würden wir ihm dennoch nicht verwehren wollen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Coles Corner
- Hotel room
- (Wading through) The waters of my time
Tracklist
- Coles Corner
- Just like the rain
- Hotel room
- Darlin' wait for me
- The ocean
- Born under a bad sign
- I sleep alone
- Tonight
- (Wading through) The waters of my time
- Who's going to shoe your pretty little feet?
- Last orders
Im Forum kommentieren
carpi
2009-10-24 21:34:53
Truelove's gutter ist auch mal wieder ganz zauberhaft - vor allem die letzten drei songs.
klostein
2009-01-11 10:33:36
Wer ganz konventionelle Sonntag-Morgen-Musik für sonnige Wintertage sucht: Hier bitte! Richard Hawley! Sensationelles Album ist "Coles Corner". Hier mit 6/10 leider sträflich unterbewertet...es muss nicht immer Animal Collective sein. Hört euch diesen wunderbar dick aufgetragenden Sound mal an: http://www.myspace.com/richardhawley (Anspieltips: "Coles Corner", "The Ocean")
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