M.I.A. - Arular

XL / Beggars / Indigo
VÖ: 18.04.2005
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Guerilla radio

Jeder zweite Mittelstandsmusiker erinnert heute in tränenreichen Liedern an sein hartes Jugendschicksal als allein gelassenes Schlüsselkind. Kein Rapper kommt mehr durch ein Interview, ohne mehrmals darauf hinzuweisen, welcher andere Rapper weswegen beim nächsten Treffen wie feste aufs Maul kriegt. Und dann müssen all die knallharten Jungs natürlich auch noch in der ständigen Angst leben, wegen irgendeiner Prä-Karrieren-Dummheit über den Haufen geballert zu werden. Oder kurz gesagt: Es gibt zu viele Heulsusen im Popgeschäft. Zu viele Fake-Gangster, die vor lauter Bodyguards kein Tageslicht mehr sehen und sich außerdem mal bitte ein Beispiel an Maya Arulpragasam nehmen sollten. In vielerlei Hinsicht.

Maya - bzw. für uns immer noch M.I.A. - stammt aus dem traditionell bürgerkriegsgeplagten Sri Lanka. Ihre Familie war dort praktisch die ganzen Achtziger über auf der Flucht, weil der Vater als ziemlich hohes Tier in einer militanten Rebellengruppe mitmischte. Als man sich dann endlich über einen unschönen Indien-Zwischenstop nach England durchgeschlagen hatte, warteten Rassismus und Anpassungsprobleme schon mit offenen Armen auf die frisch Geflüchteten. Und was macht M.I.A. deshalb heute? Sie feiert eine Party. Ist ihr eigener DJ und haut uns den angesagtesten Kram der Stunde auf die Plattenteller. HipHop-Electro-Trash mit World-Music-Background und drei Kilo Zündstoff im Kofferraum? Nenn es doch einfach M.I.A.-Musik.

"Arular", das übrigens so heißt, weil M.I.A.s Vater in Sri Lanka unter diesem Namen bekannt wurde, hat erfreulicherweise überhaupt kein Interesse daran, seine tausend verschiedenen Einflüsse zu einem vernünftigen Ganzen zusammenzuquetschen. Das überfällige Debüt der 28-Jährigen klingt vielmehr, als wäre es in mühsamster Drecksarbeit auf Müllkippen und Schrottplätzen zusammengesucht worden. Schon "Pull up the people" bollert seine Parolen über einen schmutzigen Fieslings-Beat hinweg. Durch "Bucky done gone" pustet eine Trompete, die klingt, als wäre sie aus Wellblech. Und was über das rasende "Galang" so alles hereinbricht, kriegen wir auch mit Kernseife nicht mehr ab. Hauptsache, die Einzelteile bleiben immer schön erkennbar. Culture Clash statt Melting Pot.

Man könnte sich das also alles ganz prima vorstellen: Wie diese Musik erst ganzen Großraumdiscos die Knitterhemden bügelt, und man später dann zuhause hockt, das Booklet auf den Knien, und von so viel unverblümter Wut angesteckt wird. Das Problem ist dabei nur, daß die Platte weder auf die eine, noch auf die andere Weise in letzter Konsequenz funktioniert. Hinter den offensichtlichen Krachern fehlt die zweite Welle, vielleicht mehr subtil gestricktes wie der fleckige Fußabtreter "Bingo". Oder doch mehr Instant-Action à la "Freedom", das alte Spielautomaten mit kaltem Gleichmut hochgehen läßt. Man könnte das jetzt nicht mal so genau sagen. Und weiß trotzdem, daß "Arular" wie ein Versprechen klingt, das nur zur Hälfte eingelöst wurde.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Pull up the people
  • Bingo
  • Galang

Tracklist

  1. Banana skit
  2. Pull up the people
  3. Bucky done gun
  4. Fire fire
  5. Freedom skit
  6. Amazon
  7. Bingo
  8. Hombre
  9. One for the head skit
  10. 10 dollar
  11. Sunshowers
  12. Galang
Gesamtspielzeit: 38:54 min

Im Forum kommentieren

ohrwurm

2010-09-22 13:56:33

Hey, hey, hey, hey, oh, oh, oh, hey, hey, hey, hey...ohohoho-heyhey

humbert humbert

2009-02-07 15:49:45

Schade eigentlich, dass M.I.A. hier so untergeht.

nussschale

2005-12-23 01:44:40

Ich verweigere die Teilnahme an sämtlichen Jahrespolls und verkünde die Erkürung von 'Arular' zum Album des Jahres gleich an Ort und Stelle.

Blair

2005-11-27 17:20:44

Also wenn ich M.I.A. höre, hält mich nichts mehr auf dem Stuhl!!! Is ja wohl mal n richtig abgefahrener Sound! Da is man in seiner eigenen Welt!

Dan

2005-07-04 21:33:59

Ich habe M.I.A. im Mai in Detroit gesehen. Da machten sie den Support für LCD Soundsystem. Also bis auf die George Bush/Blair Viedeoeinspielungen fand ichs eigentlich echt nicht besonders toll. Lohnt sich auf jeden Fall nicht hinzugehen. Ach ja und Lcd Soundsystem waren noch schlechter. Vielleicht fand ichs ja auch nur doof, weil so viele amerikanische Vollidioten um mich herum waren...

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