M. Ward - Transistor radio
Matador / Beggars / Rough TradeVÖ: 21.02.2005
Folkempfänger
Der Radio-DJ ist eine aussterbende Art. Nicht erst seit dem betrüblichen Tod John Peels findet man sie kaum noch: Plattenwechsler, die jedwede Genrescheuklappe fortschleudern und es trotzdem schaffen, bruchlos von Hölzchen auf Stöckchen zu kommen. Denn wo im computerisierten Formatradio darf man dem mühelosen Klangfarbenverlauf von den Beach Boys über Louis Armstrong und die Carter Family bis hin zu Johann Sebastian Bach lauschen? Eben.
Also war es an Matt Ward, den Pioniergeist des Dampfradios wiederzuentdecken. Schließlich ist in seine Stimme die angemessen wohlige Patina gleich eingebaut. Und wenn er beim Fußmarsch durch die sechzehn handverlesenen Stücke von "Transistor radio" die oben erwähnten Künstler covert, bleibt einmal mehr kein Auge trocken. Denn in all dem rumpelnden Folk, tänzelnden Jazz, süßlichen Blues und verschrobenen Country erblicken durch und durch romantische Melodien in durch und durch wehmütigen Geschichten das Tageslicht. Da geht das Herz auf wie mitten im Operationssaal.
Hatte die liebevolle Beinahedepression von "Transfiguration of Vincent" schon so manches aufmerksame Gehör verzaubert, helfen nun ein paar der Guten mit, auch dieses "Transistor radio" zu veredeln. Vic Chesnutt und Howe Gelb kauzen im Hintergrund, auch John Parish (PJ Harvey), Jordan Hudson (The Thermals) und Jim James (My Morning Jacket) haben ein paar Ecken und Kanten in der Hosentasche, die liebreizenden Jenny Lewis (Rilo Kiley) und Rachel Blumberg (The Decemberists) flöten mit, und sogar der selige Beatle George Harrison steuert eine Melodie bei. Kein Wunder, daß Wards viertes Album seinem berührendem Vorgänger kaum nachsteht.
So ein durcheinandergerührtes Ideen-Puzzle diese Radio-Hommage auch darstellen mag, so homogen schmiegen sich die einzelnen Songs aneinander an. Da sticht weder Satchmos verknarztes "Sweethearts on parade" nennenswert aus Wards Eigenmaterial heraus noch Bachs auf die Gitarre gehüpftes "Wohltemperiertes Klavier". Denn der Grammophon-Charme des Songpoeten spannt den großen Bogen über das staubige "One life away" über das dunkle Geschunkel von "Fours hours in Washington", den klavierseligen Boogielärm "Big boat" und die Landeierromanze "Paul's song" bis hin zum fröhlich wippenden "Deep dark well" und dem verschnupft gecroonten Schleicher "Lullaby + exile". Mittendrin beschwört Ward mit "Radio campaign" die guten, alten Tage: "Come back, my little peace of mind." Und daß einer der Songs gar "Hi-fi" heißt, ist natürlich eine wunderbar dreiste Lüge. Das knistert wie Geschenkpapier. Viel Spaß beim Auspacken.
Highlights & Tracklist
Highlights
- One life away
- Sweethearts on parade
- Four hours in Washington
- Deep dark well
Tracklist
- You still believe in me
- One life away
- Sweethearts on parade
- Hi-fi
- Fuel for fire
- Four hours in Washington
- Regeneration no. 1
- 8=Big boat
- Paul's song
- Radio campaign
- Here comes the sun again
- Deep dark well
- Oh take me back
- I'll be yr bird
- Lullaby + exile
- Well-tempered clavier
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captain kidd
2005-04-13 20:08:21
für mich ein klares highlight. diese melodie. und diese verbindung von sound und text. grandios.
bee
2005-04-13 19:59:52
@captain kidd
es sind eben für meine Ohren grade zu wenige Songs "zerschreddert".
hi-fi mir entschieden zu zuckersüss - da kann ich ja gleich Bright Eyes hören. Und der Hall hi-fi hi-fi hat was von Sprüh's an jede Wand Wand ...
captain kidd
2005-04-13 19:49:23
hi-fi, alter. hi-fi. das ist ein übersong.
vilfer
2005-04-13 19:44:41
am 13.3 wird vilfer m. sehen. juhui. glaube mittlerweile, dass die platte nicht an den vorgänger rankommt, trotzdem gibts knappe endgültige 8 punkte. höhepunkte. 4 hours.., pauls song, boat song
captain kidd
2005-04-13 19:19:34
allein diese melodieführung bei radio campaign. das ist einfach eine verdammte, zerschredderte hymne. und wenn dann die trompete im hintergrund trauert. und dieser chor. und der gute vic. einfach ein traum, wenn alle zusammen "come back" jauchzen. ich gebe der platte auch 8-9 von 10 punkten. sicherlich seine beste platte bis jetzt.
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