Live - Awake - The best of Live

Radioactive / Universal
VÖ: 15.11.2004
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Halbschlaf

Hände hoch! Und dann schnell das Tuch festhalten, während die Katzen an den Zehnägeln knabbern. Oder aber sich schon wegen übler Schweißfüße abgewendet haben. Das immerhin noch hübsch colorierte Cover zu "Awake - The best of Live" präsentiert sich als der gleiche bedeutungsschwangere Blödsinn wie so viel in der Laufbahn des Vierers aus Pennsylvania um Frontguru Ed Kowalczyk. Hartgesottene Fans werden aufschreien ob folgender Schlußfolgerung, aber zum Glück gibt es deren ja nicht mehr viele: Wenn ein 19 Tracks starkes, angebliches "Best Of"-Album schwächer ist als ein einziges Studioalbum, in diesem Fall "Throwing copper", dann lief wohl irgendwas schief in der Karriere.

Spurensuche. Alles begann mit "Mental jewelry", das zwar mit seinem lila Cover den Reigen geschmackloser Artworks eröffnete, musikalisch aber von ähnlich viel ungeschliffenem Talent zeugt wie die frühen R.E.M.-Alben. Das untermauern auch heute noch "Operation spirit (The tyranny of tradition)" und "The beauty of gray", auch wenn die nicht unbedingt zu den besten Songs der Platte zählen. Dann kam "Throwing copper" und mit ihm der große Durchbruch. Das kantige "Selling the drama", der Aufschrei "I alone" oder das zum Zerplatzen traurige "Lightning crashes" haben bis heute nichts von ihrer Kraft verloren.

Im Rampenlicht begann sich die Sinnsuche allerdings zu verschärfen und bekam die Esoterik Einhalt. Die war zwar bei Ed Kowalczyk schon immer latent im Spiel, nur hatte er sie bis "Secret samadhi" halbwegs unter Kontrolle. Diesem Album konnte das immerhin noch nicht viel anhaben. "Lakini's juice" verbindet in bis heute selten erreichter Klasse harte Riffs mit zwischenzeitlichen Streicher-Tätscheleien. Und man muß schon ein Herz aus Stein besitzen, um es vom ergreifend schlichten "Turn my head" nicht aufweichen zu lassen. Das roch zwar alles schon so streng wie ein weißes Ganzkörpergewand nach einem einmonatigen Defekt der Waschmaschine. Aber es funktionierte.

Über den Rest würde man lieber den Mantel des Schweigens hüllen. Sowohl das fischige "The distance to here", als auch "V" und "Birds of pray" waren immerhin noch songwriterisches Mittelmaß. Und doch sorgten Live durch eine Überdosis Mystik zumindest bei all jenen für handfesten Ärger, die lieber Zigaretten als Räucherstäbchen abfackeln und Skat kloppen statt Tarot zu legen. Zum Glück wurden die Singles aus der Phase dezent ans Ende von "Awake - The best of live" plaziert. Der an siebter Stelle versteckte Bonustrack "We deal in dreams" ist auszuhalten, und wenig später kann man stets dezent den Player ruhigstellen, entweder vor oder nach "The dolphin's cry". Dann verpaßt man zwar die recht nett geratene Neuauflage "Run away" mit Country-Tusschen Shelby Lynne und das Johnny Cash-Cover "I walk the line", entgeht aber auch einigem Leid. Eigentlich wäre ein "Best of"-Album doch ein idealer Anlaß, um abzudanken. Oder aus der eigenen mal wieder in unsere Welt zurückzukehren.

(Armin Linder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Selling the drama
  • Lightning crashes
  • Lakini's juice

Tracklist

  1. Operation spirit (The tyranny of tradition)
  2. The beauty of gray
  3. Selling the drama
  4. I alone
  5. Lightning crashes
  6. All over you
  7. We deal in dreams
  8. Lakini's juice
  9. Turn my head
  10. The dolphin's cry
  11. Run to the water
  12. They stood up for love (Acoustic version)
  13. The distance
  14. Dance with you
  15. Overcome
  16. Nobody knows
  17. Heaven
  18. Run away (with Shelby Lynne)
  19. Walk the line
Gesamtspielzeit: 76:49 min

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