Aereogramme - Seclusion

Undergroove / Rough Trade
VÖ: 18.10.2004
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Axt im Walde

Am Ende spuckt jemand Blut. Eigentlich ist das ja nichts Neues bei Aereogramme, im übertragenen Sinne. Wer schon mal eine Liveshow der vier Schotten gesehen hat, weiß ja schließlich, daß Sänger Craig B. der Selbstverstümmelung mitunter ziemlich nahe kommt. Steht so da, der Kerl, das Mikrokabel um den Hals gewickelt, und brüllt sich das letzte bißchen Seele aus dem Körper. Man wartet nur noch darauf, daß ihm irgendeine wichtige Ader platzt. Oder aber, noch verheerender, der bärige Bassist Campbell McNeil über ihn stolpert. Bis jetzt war es dann doch noch immer irgendwie gut gegangen. Aber diesmal kommen wir nicht ohne Blut aus der Sache raus. Nein, diesmal nicht.

Keine Sorge, es ist niemand gestorben. Und soweit wir das sagen können, hat sich auch keiner verletzt. Aereogramme haben nur das letzte fehlende Beweisstück dafür eingereicht, daß es nichts gibt, was sie nicht können. "Seclusion", sechs Songs in 32 Minuten auf einem Tonträger, von dem niemand so richtig zu wissen scheint, ob er nun eine EP, eine Mini-Album oder doch irgendetwas anderes ist. Mitgeliefert wird jedenfalls ausnahmsweise nicht der berüchtigte "Soundtrack zu einem Film, der erst gedreht werden muß", sondern der Soundtrack zu einem Film, der bereits gedreht wurde. Von Aereo-Freund Stephen Morrisson, nach einem Drehbuch der Band. Und am Ende wird Blut gespuckt. Wir können leider nicht ins Detail gehen. Der Rezensent hat ein schwaches Herz.

Also lieber einen Schluck Baldrian getrunken und rüber zur Musik, die sich den Platz auf der CD mit besagtem Horrorfilmchen teilen muß. Großartig ist sie, wer hätte das gedacht, ein einziger Psycho-Alptraum-Monster-Metzel-Wahnsinn, und wieder mittendrin zersägt vom gern zitierten "Spiel mit den Extremen". Aereogramme könnten dafür langsam ein eigenes Regelwerk schreiben, haben sich aber trotzdem nicht davon abhalten lassen, auch wieder ein paar neue Dinge in Angriff zu nehmen. So ist der notorisch straighte Opener "Inkwell" etwa ein Sommerhit - falls es irgendwann mal einen Sommer geben sollte, in dem alle Bäume sterben, die Vögel vom Himmel fallen und das Freibad zubleibt. Es soll Menschen geben, die warten schon ihr ganzes Leben auf so einen Song.

"Dreams and bridges" folgt und ist einer dieser Aereogramme-Songs, denen niemand den Rücken zukehren sollte, bevor das CD-Player-Display wieder "00:00" zeigt. Gitarren stürmen das Wasserglas, blanke Schreie lassen es platzen. Vielleicht das bisher beste Stück dieser Band. Und dabei wartet noch viel mehr auf "Seclusion". Die elf freudlosen Minuten von "The unravelling" etwa, die zwischen mutierten Streicherorchestern und unmenschlich steilen Spannungsabfahrten klingen, als könnten Tool plötzlich ihre Gefühle zeigen. Das Flaming-Lips-Cover "Lightning strikes the postman", ein Song wie Panzerfahren in der Fußgängerzone. Und schließlich der "Alternate score" zwischen schauderlichen Kirchenorgeln und dem letzten Zucken des allerhöchsten Pianotons. Da nichts diese Platte besser zusammenfassen könnte: Ende.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dreams and bridges
  • The unravelling

Tracklist

  1. Inkwell
  2. Dreams and bridges
  3. The unravelling
  4. I don't need your love
  5. Lightning strikes the postman
  6. Alternate score
Gesamtspielzeit: 32:05 min

Im Forum kommentieren

Robert G. Blume

2022-09-09 09:54:21

Ja, kann man mal wieder einlegen, danke für die Erinnerung. Die Songs darauf gehören für mich auch zu den stärksten ihrer Karriere.

Fiep

2022-09-08 19:07:45

Jup, für mich ein essentielles werk mit Dreams und Unraveling,...und i dont need your love und inkwell sind natürich auch toll. währe ein ganzes album mit solch song da gewesen, das wäre mindestens auf einem niveau mit sleep & release und a story in white.

Corristo

2022-09-08 18:53:52

Hab die hier auch immer noch ein Stück vor ihren regulären Alben gesehen. Hier wirkt alles noch ausgefeilter als auf Sleep And Release und es ist noch nicht so ruhig und harmonisch wie der Nachfolger. Schade, dass es so kurz ist, aber andererseits hätten sich sonst wohl wieder mehr Schwächen eingeschlichen. So isses nahezu perfekt.

keenan

2022-09-08 11:19:43

seit jahren mal wieder am hören. alter schwede ist das wieder mal geil gewesen, allein der einstieg :-D
nicht minder einer ihrer besten songs. ist ja lediglich eine EP, hat aber insegsamt die stärksten songs :-)

The MACHINA of God

2020-07-23 14:55:32

Schon geil, dass die einfach mal die Flaming Lips covern.

Ansonsten lieb ich hier besondesr "Dreams and bridges" sowie "The unravelling".

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