Kante - Zombi

Kitty-Yo / Labels / EMI
VÖ: 16.08.2004
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die andere Welt

Vieles bleibt im Unklaren - das ist die Konstante im Werk von Kante. Wer nach den Liveauftritten der letzten zwei Jahre gedacht hatte, die Hamburger würden nun endlich zu einer richtigen Rockband, würden das fast schon metaphysische Konzept der MusikMusik hinter sich lassen und eine neue Direktheit pflegen, empfindet beim ersten Hören von "Zombi" bis zu einem gewissen Grad Enttäuschung und Verwirrung. Arbeiten mit reichlich miesen Tricks, die Jungs. Lassen es erst auf der Bühne richtig krachen, zögern das Erscheinen des neuen, nunmehr dritten Albums im Zeichen des Z, immer und immer wieder hinaus, nur um dann schließlich mit der Uptempo-Single "Zombi" gänzlich auf die falsche Fährte zu locken.

"Wir sehn die Welt mit andern Augen / Seitdem wir draußen sind / Sehn wir die Dinge ohne Namen / Mit schleierhaftem Sinn." Vielleicht ist Zombi der komplexeste Song, den die Band bisher veröffentlicht hat. Die musikalische Dichte eines treibenden Popsongs mit durchaus appellativem Charakter wird konterkarriert vom Spiel mit dem Bild des Untoten, von Visionen einer Zwischenwelt. Keine Parolen, das Wir-Gefühl ist nur Schein. Schon hier hätte man ahnen können: Das ist bewußte Irreführung, vielleicht "ein reichlich schlechter Scherz".

Denn um es deutlich zu sagen: Kontemplation ist angesagt, Innehalten und Wundenlecken. "Unser Schmerz und unsere Wunden / Sind unser größtes Kapital." Zumindest, was die Textarbeit angeht, wird jeder Hörer Peter Theissen unumschränkt zustimmen. Das Zitat mag Motto sein für die erreichte Entwicklungsstufe von Kante. Denn trotz aller Verletzungen und Melancholiehaben sie es geschafft, die Larmoyanz außen vor zu lassen, die ihnen in der Vergangenheit oft zum Vorwurf gemacht wurde. Das sind keine dünnhäutigen Elfenbeinturmsitzer mehr. Die gehen jetzt raus in die Welt und schauen nach, was ihnen da so in den Kram passen könnte.

Dieser Umstand spiegelt sich dann auch in bisweilen spielerischem Umgang mit Musikalität. Weder die Postrockkeule, noch der böse Jazz-Anwurf finden ihr Ziel. Auch wenn im Instrumental "Baron Samedi" Saxophon und Trompete, Cuica, Posaune und Klavier auf recht freie Soloexkursionen geschickt werden, erinnert die Gesamtstruktur doch eher an ein luftiges Sommerstück John Calescher Provenienz. Gegründet auf klassischem Big-Band-Sound, geschult an Filmmusik aus der Doldinger-Werkstatt, Easy Listening links liegen gelassen: Vorhang auf für das große Kopfkino.

Folgerichtig bleibt festzuhalten: Kante sind die deutschsprachige Band, die sich am bewußtesten der Tendenz zum intellektuellen Fast-Food verweigert. Wo andere gedanklich und musikalisch abspecken, um vielleicht noch durch die engen Türen der Radio- und Fernsehstationen zu passen, ihren Anspruch also dem Airplay unterordnen, bearbeiten die Fünf ihr bisweilen sperriges Material mit feinen Werkzeugen. So erhält die Arbeit eine Dichte, die nicht nur beim wiederholten Hören immer noch trägt, sondern von Mal zu Mal Neues offenbart - auch wenn sie nicht ganz so viel zu entfalten vermag wie der Vorgänger "Zweilicht". Ihre Behauptung, sich im Zentrum des Orkans zu befinden und so das leise Zittern der politischen, gesellschaftlichen, kulturellen Entwicklung besser vernehmen zu können, atmet zwar erst einmal den leicht säuerlichen Duft der elitären Selbstbefriedigung. Doch wenn man dann wirklich im Atmen innehält, die Ohren aufsperrt und auch das Herz, geht die Reise in eine unendliche Welt des Sounds.

(Joerg Utecht)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Zombi
  • Baron Samedi
  • Wenn man im Atmen innehält

Tracklist

  1. Moon, stars and planes
  2. Schwaches Gift
  3. Im Innern der Stadt
  4. Zombi
  5. Baron Samedi
  6. Wenn man im Atmen innehält
  7. Ich kann die Hand vor meinen Augen nicht mehr sehn
  8. Wo die Flüsse singen
  9. Warmer Abend
  10. New Babylon
Gesamtspielzeit: 62:55 min

Im Forum kommentieren

Old Nobody

2022-07-25 22:04:15

Für mich mit einer klaren 9/10 das stärkste Album einer von mir wirklich sehr vermissten Band. Als Zuckerfabrik rauskam meine ich was von Arbeiten an einem neuen regulären Studioalbum gelesen zu haben aber das ist ja leider im Sande verlaufen. Sehr schade

Sehr schöner Beitrag von Simon von 2005.Kann den Ansatz weitgehend teilen.
Auch für mich ist Schwaches Gift klares Highlight bzw eigentlich sogar mein Lieblingsstück von Kante überhaupt.Wahnsinnig intensives Meisterwerk.Das Düstere holt mich immer wieder voll ab,sehr einnehmend und bedrückend.Erlebe diese soghafte und erdrückende Stimmung so eigentlich nur noch bei Mount Eeries Clear Moon.
Ansonsten grandioser Opener und Baron Samedi als Highlights.


"New Babylon ist dann noch ein schöner Ausklang. Man findet sich eben irgendwie ab, schaut schon wieder optimistisch in die Zukunft. Und die Vergangenheit, tja, war halt mal. Alles fließt irgendwie zusammen, und findet eine schöne, tröstliche Melodie."

Hier weiche ich etwas von Simon ab. Finde New Babylon nicht so optimistisch.Da klingt in der Melodie schon einiges an Melancholie durch.Man weint der Vergangenheit schon noch ein ganzes Stück weit nach,find ich.Ich glaub, das ist eher ein Versuch des Hinter sich lassens, des Abhakens,ein Kampf mit sich selbst im Versuch loszulassen und nach vorne zu schauen... Vielleicht steckt ein bisschen Trost drin und die Zuversicht,dass es Stück für Stück immer mehr aufwärts geht.Aber im Moment schmerzt es eben immer noch und wird es wohl auch noch eine ganze Weile tun

10/10

2013-11-26 09:04:10

Kante: Neben Mutter und F.S.K. die einzige ernstzunehmende deutsche Band.

koekoe

2013-11-25 20:35:14

Das waere wirklich mal was. Zombi, Zweilicht, und, wenn auch eingeschraenkt Die Tiere sind unruhig - alles wunderbare Alben, wobei Zombi knapp vor Zweilicht ist, obwohl Zweilicht fuer mich damals schon wirklich so eine Art musikalische Offenbarung war.

Berto

2013-11-25 19:12:35

Gerade auch mal wieder Zombi gehört und nun beim ersten Zweilicht-Durchgang. Beides große Meisterwerke. Hoffentlich kommt da tatsächlich was.

Quirm

2013-06-13 14:25:46

Liebe Leute,

wir freuen uns, dass einige von euch wieder vermehrt den Weg in unser Gästebuch finden und dort vor allem der Sehnsucht nach einem Anzeichen für ein neues Album Ausdruck verleihen. Ja, wir sind seit langem abgetaucht in der Theaterwelt, aber es ist schön zu erfahren, dass wir auch ausserhalb immernoch und endlich mal wieder gehört werden wollen! Wie der Zufall so spielt haben wir uns nach fast sechs Jahren an verschiedenen Bühnen letzte Woche zum erstenmal wieder im Übungsraum versammelt und mit der Suche nach dem nächsten Kante-Sound begonnen. Wir versprechen vorerst noch gar nichts - aber wir haben total Bock!



Bis demnächst, Eure Kante

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