Everclear - Songs from an American movie, vol. 1: Learning how to smile

Capitol / EMI
VÖ: 10.07.2000
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Hollywoodreifer Art-Pop

Es ist schon erstaunlich, in welche Richtung sich eine Band wie Everclear entwickeln kann. Noch sehr gut erinnere ich mich daran, wie ich vor fünf Jahren mit leuchtenden Augen mein letztes Taschengeld in die Everclear-Scheibe "Sparkle and fade" investierte - jenes Album, bei dem Kurt Cobain zu Lebzeiten vor Freude Luftsprünge gemacht hätte. Kraftvoller Grunge-Rock, gepaart mit punkigen Ausflügen und der markant-kehligen Stimme von Frontmann Art Alexakis. Sämtliche Kritiker waren sich einig, daß das amerikanische Trio den legitimen "Nevermind"- Nachfolger vorgelegt hatte.

Anno 2000 ist davon nicht mehr viel übrig geblieben. Schon das Erfolgsalbum "So much for the afterglow" (1997) wartete mit deutlich verdaulicheren Melodien und eingängigeren Refrains auf. Das aktuelle, vierte Werk geht schließlich noch einen Riesenschritt weiter: "Learning how to smile" ist lupenreiner Pop mit Streichern, Bläsern, Ohrwurm-Hooklines, "Sha la la"-Chören und allem, was dazugehört, um im Radio auf Dauerrotation gespielt zu werden. Auffällig ist neben der verspielten - mitunter etwas überladenen - Produktion und der bunten Instrumentenpalette vom Banjo über Folkgitarre bis hin zur Ukulele vor allem die neue Orientierung in Richtung Folkpop. Dennoch steht der Name Everclear weiterhin für mitreißende Gitarrenriffs, kraftvollen Gesang und abwechslungsreiches Songwriting. So ist es keine Überraschung, daß sich auf dem neuen Silberling eine gute Handvoll Hits wie das flotte "Here we go again", "AM Radio" oder das lagerfeuertaugliche "Thrift store chair" versammeln.

Besondere Beachtung verdient auch die Songlyrik, denn Art Alexakis ist ein passionierter und begabter Geschichtenerzähler. Während er auf den letzten Alben seine jahrelange Heroinabhängigkeit und deren Bewältigung in den Texten verbriet, zieht sich auf der neuen Platte die Geschichte seiner gescheiterten Ehe wie ein roter Faden durch die Lyrics. Schon die Songtitel wie "The honeymoon song" oder "Now it's over" geben darüber Aufschluß, was dem guten Art beim Schreiben durch den Kopf und wie ein Pfeil durch das Herz gegangen sein muß. Sentimentale Zeilen wie "Don't write words unless you want me to read them / Nothing really matters now that it's over / Maybe we can be friends / Now that we're over / We can have fun like we did in the early days / Now that it's over" bestätigen das überdeutlich. Die Herz-Schmerz Texte mit ihrer poppigen Umrahmung scheinen wie gemacht zu sein für eine kinoreife Soap-Opera im Stile Hollywoods und gleichzeitig wohl auch der grund für den etwas verwunderlichen Albumtitel. Oscarverdächtig waren die musikalischen Leistungen des Trios ja schon immer, und auch der neue Stil steht der Band durchaus gut zu Gesicht, auch wenn manche Kompositionen wie "Now that it's over" oder das peinliche "Annabella's song" auf ihrem Weg zum puren Pop schließlich doch die Abzweigung zum guten und maßhaltenden Song verpaßt haben.

Für alle alten Fans, denen dieses Album endgültig zu weit geht, soll bereits gegen Ende des Jahres auf dem Follow Up-Album "Songs from an American movie, vol. 2: Good time for a bad attitude" deutlich straighteres und härteres Songmaterial veröffentlicht werden. Es bleibt also zu hoffen, daß Everclear trotz ihrer lobenswerten Pop-Ambitionen ihre Wurzeln nicht vergessen, um nicht irgendwann in belanglosen Stadion-Rock abdriften.

(Christof Nikolai)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Here we go again
  • Brown eyed girl
  • Thrift store chair

Tracklist

  1. Song from an American movie Pt. 1
  2. Here we go again
  3. AM Radio
  4. Brown eyed girl
  5. Learning how to smile
  6. The honeymoon song
  7. Now that it's over
  8. Thrift store chair
  9. Otis Redding
  10. Unemployed boyfriend
  11. Wonderful
  12. Annabella's song
Gesamtspielzeit: 45:18 min

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