Marissa Nadler - New radiations

Bella Union / Rough Trade
VÖ: 15.08.2025
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 2/10
2/10

Summertime sadness

Um den lauten Lärm der Welt künstlerisch zu verarbeiten, bleibt manchmal nur die Reduktion. Marissa Nadler kennt sich damit bestens aus: Das Shoegaze-Ansätze und wuchtige Drums lancierende "The path of the clouds"" machte es fast vergessen, dass die US-Amerikanerin oft mit kaum mehr als ihrer Akustikgitarre und außergewöhnlichen Stimme auskam. Ihr zehntes Album "New radiations" beruft sich wieder auf diesen Ansatz, versteht sich als eine ihrer intimsten Platten und verzichtet ganz auf Percussion und namhafte Gastmusiker*innen. Das führt dazu, dass Nadlers Songs mit weniger Intensität als auf dem Vorgänger ins Fleisch drücken, doch unter die Haut gehen sie immer noch. Nadler ist und bleibt ausgesprochen gut darin, gleichzeitig schmerzvolle wie trostreiche Kompositionen ohne Kitsch und Selbstmitleid zu inszenieren, während sie ihren Hang zum Morbiden und Außerweltlichen geisterhaft darin verwebt.

Was sich "New radiations" mit seinem um Geschichten des Verschwindens kreisenden Vorgänger teilt, sind eine Faszination fürs Fliegen und der Rückbezug auf reale Personen. Zu dezenten Drones und Selbst-Harmonien dient im Opener "It hits harder" Geraldine Mock, die als erste Frau alleine um die Welt flog, als Inspiration, um sich von einem einst geliebten Menschen zu lösen: "I will fly around the world just to forget you / Try not to hit the mountains as I pass through." Weltraumpionierin Valentina Tereshkova wacht an anderer Stelle über "Weightless above the water", ein Stück wunderschönen Space-Folks, das in den letzten 30 Sekunden orgelbegleitet abhebt. "If it's an illusion" konzentriert sich hingegen ganz auf sich selbst, verzichtet sogar auf Nadlers charakteristischen Vocal-Reverb und wendet sich, wie so oft, dem eigenen Scheitern zu: "I was frozen / Never could just let him go / Was losing in the afterglow." Aufgrund ihres Minimalismus fordert die Platte besondere Aufmerksamkeit ein, belohnt diese aber mit einem durchweg tiefgehenden Hörerlebnis.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass es Nadler weiterhin meisterhaft beherrscht, die Wiederholung als ästhetisches Mittel für die nachdrückliche Wirkung ihrer Musik zu nutzen. Von grellen Synth-Streichern bedroht arbeitet sich "Smoke screen Selene" an einem sinistren Gitarren-Loop ab, bevor das wortlose Schlussmantra der Sängerin endlos nachhallt. Mit einer zweistelligen Anzahl von Alben im Nacken fallen Überraschungen natürlich schwer: Gerade das von Slide-Gitarren umgarnte "You called her Camellia" fährt eine ganz typische Marissa-Nadler-Melodie auf. Doch wer eine so konstant hohe Qualität liefert, muss sich selbstverständlich nicht dafür rechtfertigen, auf altbewährte Formeln zurückzugreifen. Und wenn "Bad dreams summertime" Sixties-Girlgroup-taugliche "Uh-uh"s im Hintergrund jongliert, wird deutlich, dass die in Washington geborene Frau immer für eine unerwartete, augenzwinkernde Arrangement-Entscheidung zu haben ist.

Nicht nur hier beweist Nadler ihren Humor, der passend zur Stimmung ihrer Songs allerdings von der ganz dunklen Sorte ist. Die Mörderballade "Hatchet man" meint ihren Titel wörtlich, der Mann mit dem Beil zwingt die Ich-Erzählerin, ihm bei der Gräueltat zuzusehen, diese kommentiert mit einer schnippischen Schlusspointe: "Would have been better just to live with loneliness / Than all of this." Auch die "New radiations" des famosen Titelstücks bewegen sich bestenfalls in einem Farbspektrum von Schwarz bis Dunkelgrau. Die Albumveröffentlichung im tiefsten Sommer soll keineswegs andeuten, dass Nadler inzwischen zur Sonnenanbeterin geworden ist – stattdessen widmet sie einen Song namens "To be the moon king" Robert Goddard, dem Vater der modernen Raketenwissenschaft, und fokussiert darin die Einsamkeit des Erfinders. Marissa Nadler bleibt im Dunkeln, wo ihre Songwriting-Kunst noch immer am hellsten strahlt.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • It hits harder
  • Smoke screen Selene
  • New radiations
  • Weightless above the water

Tracklist

  1. It hits harder
  2. Bad dreams summertime
  3. You called her Camellia
  4. Smoke screen Selene
  5. New radiations
  6. If it's an illusion
  7. Hatchet man
  8. Light years
  9. Weightless above the water
  10. To be the moon king
  11. Sad satellite
Gesamtspielzeit: 46:12 min

Im Forum kommentieren

Mr Oh so

2025-08-15 17:31:31

Klingt mal wieder sehr schön.

MickHead

2025-08-15 15:39:36

Jetzt komplett bei Bandcamp:

https://marissanadler.bandcamp.com/album/new-radiations

MickHead

2025-08-12 17:14:10

3. Song "Light Years"

https://youtu.be/kYmdfoDmQwI?si=yCihpJXukug33piF

Armin

2025-08-07 21:03:35- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

MickHead

2025-07-08 15:32:20

2. Song "Hatchet Man"

https://youtu.be/dGByJuZgdM4?si=reVv8JOqhFLYH3s1

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