Garbage - Let all that we imagine be the light

Stunvolume / BMG / Universal
VÖ: 30.05.2025
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Unter dem Meer

Manche Bands und deren Galionsfiguren sind einfach unkaputtbar und überdauern noch die härtesten Zeiten. Einerseits schaffen diese Künstler*innen es, angemessen ihr Erbe zu verwalten, sowie andererseits, selbst nach kleineren Schlenkern immer wieder in Form zu kommen. Eine außerordentlich erfreuliche Feststellung: Auch Garbage und Shirley Manson zählen zu jenen Unverwüstlichen, obwohl "No gods no masters" gewisse Ermüdungserscheinungen durchklingen ließ. Das schottisch-amerikanische Quartett zehrt zwar weiterhin vom fest zementierten 90er-Fame, unterstreicht seine Relevanz in 2025 aber zugleich. Dementsprechend ist "Chinese fire horse" ein wagemutiger Stampfer, in dem sich Manson kratzend und beißend gegen den vorzeitigen Ruhestand und das Abstellgleis wehrt. Es hagelt klare Ansagen: "I've still got the power / In my brain, in my body / I take no shit from you!" Diese Angriffslustigkeit ist man von der 58-Jährigen gewohnt, auch in "Get out my face AKA Bad kitty" schwingt die Schottin selbstbewusst die Fäuste. Sobald jedoch "Hold" auf feinster Industrial-Kante und mit wirklich starken Vocals durch die Nacht geistert, weiß man, dass "Let all that we imagine be the light" keineswegs ein selbstgefälliges "Boomer-wollen-es-noch-mal-wissen"-Album geworden ist.

Auf ihrem achten Werk tauchen Garbage nämlich wiederholt in dunkelste Sphären herab: "Have we met (The void)" trägt seinen Zusatz nicht grundlos, Manson irrlichtert durch klirrend kalten Synthpop und deckt einen Fremdgeh-Skandal zwischen Edinburgh und Barcelona auf. "Have you motherfuckers been seeing each other?" Nicht nur hier, sondern ebenfalls im vergleichsweise harmlosen Opener "There's no future in optimism" und in "Love to give" erinnern die pulsierenden Beats immer wieder an die schwermütigsten Elegien von Depeche Mode – eine mehr als passende Inspiration. "Sisyphus" bringt die oben beschriebene Selbstbehauptung wundervoll mit seinen frostigen Synths zusammen, ernennt den griechischen Unruhestifter kurzerhand zum Heiligen und interpretiert die altbekannte Metapher einer sinnlosen Tätigkeit bedenkenlos neu: bloß nicht aufgeben, egal, wie dick die Felsbrocken auch werden. Im gemächlichen Düster-Pop von "Radical" brechen Garbage die drohende Finsternis durch ähnlich positive Messages auf, bevor sie doch noch überhandnimmt.

Man ist irgendwo erleichtert, dass Manson, Butch Vig und Co. zur alten Stärke zurückgefunden haben, denn selbstverständlich war das nicht. Aber der Schaltkreis schließt sich, und zwar ohne Ausfall. Im Closer weichen die letzten elektronischen Störfeuer einer aufs erste Ohr erhabenen Ballade: "And so there I was / Face to face with God / Who was everyone I'd ever loved." Für derart viel Gänsehaut haben Garbage lange nicht gesorgt – bis man merkt, dass Manson vom Zugedröhntsein unter Schmerzmitteln singt. Zwar ist sie unendlich weit abgetaucht, doch an der Oberfläche glitzert verheißungsvoll das Tageslicht. Das elegante Artwork beschwört gleichermaßen die tiefsten Tiefen des Ozeans – dort gibt es schließlich immer noch Bereiche, in die nie ein Mensch vorgedrungen ist. Hier lauern Garbage auf dem Meeresgrund in der Stille und warten auf Beute. Denn "Only happy when it rains" war vorgestern, heute ist die Band erst besänftigt, wenn alles mit einer kilometerdicken Eisschicht überzogen ist. Und dennoch überlebt der Hoffnungsschimmer, sei er auch schiere Fantasie: "Let all that we imagine be the light / It's radical." Derart spät in der Karriere ein so tolles Album vorzulegen, ist es nicht weniger.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hold
  • Have we met (The void)
  • Sisyphus
  • The day that I met God

Tracklist

  1. There's no future in optimism
  2. Chinese fire horse
  3. Hold
  4. Have we met (The void)
  5. Sisyphus
  6. Radical
  7. Love to give
  8. Get out my face AKA Bad kitty
  9. R U happy now
  10. The day that I met God
Gesamtspielzeit: 45:17 min

Im Forum kommentieren

Enrico Palazzo

2025-06-04 11:09:54

Ich finde es auch überraschend okay. Mein Favorit ist "Chinese fire horse", richtig richtig schlecht hingegen vor allem textlich finde ich "Have we met the void".

bender

2025-06-04 11:07:48

Überaschend stark. Die sphärischen, etwas düsteren und verspielteren Tracks machen echt Spass.

Die Highlights sind gut getroffen.

didz

2025-05-31 20:53:43

joa, bei den 3 songs geh ich auch mit. 'love to give' gefällt mir auch noch ganz gut. 'have we met' hat schöne stranger things-vibes am anfang. dann wirds aber dünn mit highlights...

insgesamt is das album ne kleine enttäuschung für mich, grösster schwachpunkt leider die lyrics.

The MACHINA of God

2025-05-31 20:17:37

Ja, die wären grad acuh meine Lieblinge. Finde eh, Garbage stehen die sphärischeren ruhigeren Songs sehr gut. Bestes Beispiel mein Liebling "Beloved freak".

Sungame

2025-05-31 13:02:37

Die Platte wächst mit jedem Durchgang. Track 4 und 5 sowie der letzte sind aktuell meine Favoriten, eher sphärische Titel.

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