Die Heiterkeit - Schwarze Magie

Buback / Indigo
VÖ: 21.03.2025
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Heiter bis okkultig

Hex hex: Nicht erst seit Fleetwood Macs durch Carlos Santana zum Hit gezauberte "Black magic woman" ist die schwarze Magie in der Popmusik ein gängiges Motiv. Einige Jahre früher beschwor der Folk-Musiker Donovan die "Season of the witch", und Frank Sinatra vermutete bereits 1957 "Witchcraft" als treibendes Element weiblicher Verführungskünste. Auf nahezu zauberhafte Art und Weise zieht auch Stella Sommer wahlweise als Die Heiterkeit in deutscher Sprache oder unter ihrem eigenen Namen auf Englisch das Publikum in ihren Bann. Das gelingt ihr seit dem Debüt von Die Heiterkeit anno 2012 durch enorme stilistische Wandlungsfähigkeit sowie den lakonischen, dunklen, immer leicht gebrochenen Gesangsvortrag. Dieser erinnert anfangs an Nico, später eher an Hildegard Knef, und lässt in seiner Einzigartigkeit alle Vergleiche doch mühelos ins Leere laufen. "Jeder Tag ist ein kleines Jahrhundert" hieß einer der schönsten Songs des vorigen Die-Heiterkeit-Albums "Was passiert ist", und tatsächlich gingen seit dessen Veröffentlichung sechs lange Jahre ins Land, in denen Sommer jedoch nicht untätig blieb: Mit Max Gruber von Drangsal verknüpfte sie als Die Mausis für "In einem blauen Mond" Albernheiten zum Thema Käse mit sehnsuchtsvollen Pop-Preziosen, während sie auch unter ihrem Klarnamen zwei Alben veröffentlichte, von denen vor allem die opulente Doppel-LP "Silence wore a silver coat" nahe am Geniestreich ist.

Oder war da bei der Entstehung doch etwa "Schwarze Magie" im Spiel? Schließlich wird diese im Titelstück des neuen Werks von Die Heiterkeit augenzwinkernd als "Freundin in der Not" und "besser als ihr Ruf" bezeichnet. Der beschwingte Sixties-Schrammel-Folk dieses Songs verweist zumindest darauf, dass hier und auf dem gesamten Album tatsächlich Geister beschworen werden, nämlich die der großen Ahnenreihe vornehmlich amerikanischer Legenden des Folk und des Songwriting an sich. Ein Hauch von Bob Dylan umweht nicht nur diesen Track, sondern auch den Opener "Läutet die Glocken". Ähnlich wie der Literaturnobelpreisträger einst in "Ring the bells" auf seinem Achtziger-Lichtblick "Oh mercy" ruft Sommer hier zu ätherischen Gitarren und sanften Beckenakzenten zum Gebet – doch sind die Götter hier jedoch bloß "alte Gestalten, krank und voller Gebrechen".

Angesichts dieser Absenz höherer Wesen gewinnen bei Sommer wie auch schon in früheren Songs häufig Wetter und Natur mythische Qualitäten. In "Dunkle Gewitter" ebenso wie in dem sich auf die gleichnamigen Winde beziehenden "Santa Ana" prägen flirrende, düstere und doch romantische Choräle und Streicher eine Atmosphäre des Bedrohlichen. Mit treibenden Percussion-Klängen wie aus alten Ritualen entführt das beklemmend-verführerische "Teufelsberg" an einen magischen Ort, "wo sich alles um sich selbst nur dreht". Und natürlich hat Sommer recht, wenn sie konstatiert: "Du kommst mit mir mit, Schritt für Schritt, Stück für Stück." Denn trotz all ihrer Gravitas und der Aufmerksamkeit, die diese nun so gar nicht zum Nebenbeikonsum geeigneten Songs einfordern, bereitet es ungeheure Freude, wenn nun auch nicht gerade Heiterkeit, diesen Weg mitzugehen.

Denn tatsächlich verbirgt sich in den Untiefen der Traurigkeit dieser Songs auch oft eine zarte Aussicht auf eine tröstliche Perspektive. "I look at love from both sides now", brachte Joni Mitchell, deren Einfluss auf "Schwarze Magie" deutlich auszumachen ist, diese Dialektik einst auf den Punkt. "Wenn etwas Schönes stirbt, fehlt es oft enorm / Doch ein Teil davon bleibt und ändert nur die Form", heißt es bei Die Heiterkeit fast lapidar und doch so wahr, und zudem von einem Orchesterarrangement mit sanften Bläsern umschmeichelt. Überhaupt weiß die mal spartanische, mal opulente, aber immer im Sinne des erweiterten "Great American Songbooks" klassische Produktion von Moses Schneider die durch Text und Melodie evozierten Gefühlslagen gekonnt zu unterstreichen. Nur wer Die Heiterkeit als Indie-Formation vermisst, wird höchstens noch bei "Wir erholten uns vom Fieber" fündig, dort aber auch dank Nirvana-Zitat im coolen Basslauf bestens bedient. Der Albumausklang bietet nach all der Melancholie dann kathartischen Trost der schönsten Art. Das kammermusikartige "Wie man ein Gespenst heilt" erkundet Auswege aus dem Spuk und das glockenhelle "Auch das hier wird vorübergehen" reimt die Titelzeile abschließend auf "Auch das hier wirst du überstehen." Immerhin ein Hoffnungsschimmer, angesichts alles weltpolitischen Unheils und überhaupt. Dafür ergeben wir uns nur allzu gerne der ganz speziellen schwarzen Magie von Die Heiterkeit.

(Michael Albl)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Teufelsberg
  • Schwarze Magie
  • Santa Ana
  • Auch das hier wird vorübergehen

Tracklist

  1. Läute die Glocken
  2. Wir erholten uns vom Fieber
  3. Alles, was ich je geträumt hab
  4. Dunkle Gewitter
  5. Teufelsberg
  6. Wenn etwas Schönes stirbt
  7. Wie stehen die Chancen
  8. Schwarze Magie
  9. Im kalten Februar Regen
  10. Santa Ana
  11. Die Welt war jung, die Ängste alt
  12. Auch das hier wird vorübergehen
  13. Wie man ein Gespenst heilt
Gesamtspielzeit: 39:48 min

Im Forum kommentieren

Lucas mit K

2025-05-18 14:00:48

Die Stimme ist für mich deutlich zu sehr in Richtung Christiana Rösinger gekippt.

Höre ich überhaupt nicht. Christiane Rösinger klingt doch viel heller und schräger. Wenn dann sehe ich eher Parallelen zu Dirk von Lowtzow.

SiebenEuroVier

2025-05-17 11:33:17

Die Stimme ist für mich deutlich zu sehr in Richtung Christiana Rösinger gekippt. Früher hatte sie noch ein bisschen mehr Klarheit drin, die dem Gesang eine notwendige Festlichkeit verliehen hat. Jetzt hab ich den Eindruck da singt eine alte Frau, die in ihrem Leben vielleicht zu viel geraucht und getrunken hat. Nicht dass das schlimm wäre, aber es passt für mich erstmal nicht zu den Band. Vielleicht auch Gewöhnungssache, aber erstmal find ichs schade.

AliBlaBla

2025-05-17 11:31:10

Muss ich mal gegen hören, ist mir jetzt nicht so unangenehm aufgefallen. Ich mochte die letzte Solo Platte auch, finde es aber schöner, wenn sie auf Deutsch singt.
Wie findest du den die Songs sonst so?
Mich holt das musikalisch sehr ab.

SiebenEuroVier

2025-05-17 11:29:05

Was passiert ist, 2019

AliBlaBla

2025-05-17 11:27:51

@SiebenEuroVier
Wie meinst du das?
Im Vergleich zu welcher Scheibe, welcher Zeit?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum