CocoRosie - Little death wishes

Joyful Noise / Cargo
VÖ: 28.03.2025
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Gelungene Flucht

Im Land der in jeder Hinsicht unbegrenzten Möglichkeiten läuft seit Jahren politisch-gesellschaftlich vieles gewaltig schief. Um das zu erkennen, genügt ein Blick gen Reaktionen auf Songs und Äußerungen der Casady-Schwestern. Während etwa das "Cultural appropriation!"-Geschrei im US-amerikanischen Blätter- und Onlinewald angesichts vermeintlich unangemessener Stimmfärbungen der blassen Schwestern über Jahre hinweg nicht zu überhören war, blieb es nach befremdlichen Äußerungen und Vergleichen Bianca Casadys während der COVID-19-Pandemie jenseits des Atlantiks vergleichsweise ruhig. Der trotzige Promotext zu "Little death wishes" bleibt derweil beim Vorwurf, "die Presse" habe "es nicht geschafft [...], das Duo auf eine perverse Laune zu reduzieren", wohl nicht grundlos im Ungefähren. Falls mit "perversen Launen" wirre Postings mit Inhalten wie einem gelben "Unvaccinated"-Stern gemeint sein sollen: Nein, das sind keine "Launen", das ist erbärmlich! In musikalischer Hinsicht sind CocoRosie in den vergangenen Jahren hingegen nie hängengeblieben, blieben stets in Bewegung, entfernten sich langsam, aber stetig vom verträumten Sound ihres Debüts "La maison de mon rêve". Nun, auf ihrem achten Album, lassen sie den Freak Folk endgültig hinter sich.

"Wait for me" lockt mit mellotronartiger Keyboardfläche und trauerndem Falsettgesang noch auf die falsche Fährte. Lediglich die superbe Produktion des Openers steht stellvertretend für die gesamte LP: Es pluckert, es knarzt und es bimmelt auf der Höhe der Zeit, zudem klöppelt der Drumcomputer fast durchweg. Die mindestens melancholische Stimmung löst sich bereits im tanzbaren "Cut stitch scar" in Luft auf, Gesang und Beats erinnern mehr denn je an Crystal Castles. Beim folgenden "Yesterday" handelt es sich keineswegs um ein Beatles-Cover, sondern um einen Song, der mit seiner Kombination aus Rap und Dream-Pop-Gesang ungeachtet der cocorosigen Glockenspielpercussion zumindest im US-Formatradio höchstens wegen seiner deutlich überdurchschnittlichen Qualität aus dem Rahmen fallen würde. Der im Albumvorgänger "Put the shine on" noch auf halbem Weg abgebrochene Weg in Richtung mehr oder weniger massentauglichem raplastigem Pop wird konsequent weitergeführt.

Die Lyrics stammen diesmal großteils von Sierra Casady, fallen direkter aus und tappen in keine Fettnäpfchen. "Nothing but garbage"? Die Liebe, wie die ohrwurmige Hook aufdeckt: "Love is lost, it's gone / Ain't nothing but garbage." Vom Bund der Ehe halten die beiden Girl Bosses weiterhin wenig: "Wedding bells will ring in hell." Wie zuvor "Paper boat" zeigt auch der in seinen fünfeinhalb Minuten wunderbar kurzweilige Song, wie man Autotune gewinnbringend einsetzen kann: nicht, um stimmliche Unzulänglichkeiten zu kaschieren, und schon gar nicht aus Gewohnheit, sondern um gesangliche Abwechslung zu schaffen. Nur noch gesampeltes Rabenkrächzen erinnert an die zurückgelassene Freak-Folk-Vergangenheit. Den besten Beweis dafür, dass das neue Soundgewand den Casadys hervorragend steht, liefert "Girl in town", das nicht einmal textlich in tiefergelegten Edelschlitten auffallen würde. Auch wenn die einleitenden Zeilen die folgenden als retrospektiv einordnen, ändern sich doch nichts daran, dass das von den Schwestern vertretene lyrische Ich der genretypischen Balz von Chance The Rapper bereitwillig nachgibt und die folgende Trennung bedauert: "We look way too good to be friends."

"Unbroken" überrascht nach viel Tanzbarkeit und gekonntem Sprechgesang mit Piano, dezenter Elektronik und verletzlicher Lyrik, klammert zusammen mit dem Opener eine relativ unbeschwerte, lebensbejahende und großen Spaß bereitende LP melancholisch ein. Es gibt Gründe, den Weg von CocoRosie nicht mehr zu verfolgen – aber nur außermusikalische. Mit "Little death wishes" legen die Casady-Schwestern nicht nur ihr kohärentestes und massentauglichstes Album vor, sondern auch eines ihrer besten. Diese musikalische Flucht ist gelungen.

(Dennis Rieger)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wait for me
  • Nothing but garbage
  • Girl in town (feat. Chance The Rapper)

Tracklist

  1. Wait for me
  2. Cut stitch scar
  3. Yesterday
  4. Luckless
  5. Paper boat
  6. It ain't easy
  7. Nothing but garbage
  8. Least I have you
  9. Girl in town (feat. Chance The Rapper)
  10. No need for money
  11. Pushing daisies
  12. Unbroken
Gesamtspielzeit: 42:58 min

Im Forum kommentieren

Armin

2025-04-02 19:46:46- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

MickHead

2025-03-28 12:55:51

Komplette Playlist bei YouTube:

https://www.youtube.com/playlist?list=OLAK5uy_mAhQm4oFvk3nLu-0QXAFLAqkBCXUFn_qc

Rolling Stone 3.5/5

https://www.rollingstone.de/reviews/cocorosie-little-death-wishes/

Musikexpress 3.5/6

https://www.musikexpress.de/reviews/cocorosie-little-death-wishes/

MickHead

2025-03-27 23:48:27

Nun aber endgültig der letzte Song vor dem Release:

"Nothing But Garbage"

https://youtu.be/rZ-lDM1B9zU?si=6hYGXXU6YpqlfwM_

myx

2025-03-25 20:41:38

Bin mal gespannt, die Singles sind nicht schlecht. Am besten gefällt mir "Yesterday", gefolgt von "Pushing Daisies".

MickHead

2025-03-06 00:21:27

Letzter Song vor dem Release "Pushing Daisies"

https://youtu.be/1gvoxCPWYVQ?si=2igV-pnxJ3g9TPac

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