Wolfgang Müller - Das Ende von allem

Fressmann / Indigo
VÖ: 18.10.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Die Gitarre bleibt im Koffer

Der Musik von Wolfgang Müller möchte man sich stets mit der gebotenen Vorsicht nähern. Und mit einer großen Portion Respekt, denn hinter seinem Schaffen steht oft genug eine intensive Auseinandersetzung mit dunklen Seelentiefen, die dem Wahl-Hamburger das Leben regelmäßig schwer gemacht haben. Ein ums andere Mal stand er nach eigener Auskunft schon kurz davor, die Gitarre in den Koffer zu packen und den Reißverschluss final zu verschließen. Und jetzt? Jetzt liegt die Gitarre tatsächlich am Rand. "Das Ende von allem" als Ende von allem? Keineswegs, nur das geliebte Saiteninstrument hat Pause. Wolfgang Müller, dieser nach wie vor viel zu Unbekannte unter jenen, die sich der gehobenen deutschsprachigen Musik verschrieben haben, hat tatsächlich ein neues Album eingespielt, auf dem alles anders ist und irgendwie doch alles wie immer bleibt. Musikalisch gibt, und wer hätte das bei diesem Künstler je erwartet, die Elektronik den Ton an, inhaltlich aber lauschen wir noch immer einem lyrischen Feingeist und einer stimmlichen Wärme, die sofort gefangen nimmt.

Nein, "Das Ende von allem" ist eben nicht das Ende seiner Musik. Das hat Wolfgang Müller zuletzt noch einmal klargestellt, und das ist abseits der zehn gewohnt klugen Kompositionen eine wirklich sehr gute Nachricht. Natürlich hat man sich ein wenig gewöhnt an die tradierte Herangehensweise des gebürtigen Limburgers, der seine Stücke stets mit Gitarre und Klavier begleitet hat. Aber wenn jetzt, auf seinem neunten Studioalbum, die ersten Töne von "Tag meiner Geburt" erklingen, dann wird unmittelbar deutlich: Es ist im Grunde gar nicht entscheidend, was an Instrumentierung oder Programmierung da unter seiner Stimme liegt. Die Worte wirken ungebremst. "Keine Frage ich sterbe / Heute und hier / Meine Güte wie traurig / Doch sicher kein Zufall / Dass sowas / Am Tag meiner Geburt passiert." Da sitzt man dann und muss erst einmal verdauen, was einem inhaltlich entgegenkommt. Und auch bei diesem Kontrast bleibt sich Müller treu: Die vermeintliche Schwere kommt irritierend luftig daher.

In einer seiner dunkelsten Stunden, das gab der Musiker vor der Veröffentlichung zu Protokoll, entstand ein Song wie "Ein Licht". Doch bevor das brennen kann, wird es erst einmal dunkeldüster: "Die Welt stürzt in die Dunkelheit / Fast so wie vorbestimmt / Und mein Blick schweift durch die Nacht ob da noch / Irgendwo ein Licht brennt / Und findet nichts / Als schwarze Sterne / Schwarze Sonne, schwarzes Licht / In der Scheibe vor der / Schwärze spiegelt sich / Nur mein Gesicht", heißt es da, und doch findet Müller am Ende die Kraft dafür zu sehen, dass nur er selbst sich in die Helligkeit zu retten vermag: "Jeder kann ein Licht sein / Oder nicht." "Das Ende von allem" wirkt in seiner ganzen Herangehensweise wie ein Abschluss, der einen Neuanfang gleich in sich trägt. Dafür spricht inhaltlich in vielen Zeilen ebenso viel wie musikalisch, wo Gitarre und Klavier zunächst einmal am Rande der Veranstaltung ein bisschen Staub ansetzen dürfen. Der Intensität seiner Musik tut das keinen Abbruch, auch wenn man vielleicht einen Durchlauf mehr benötigt als sonst.

(Torben Rosenbohm)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tag meiner Geburt
  • Heldengeschichte
  • Der schlauste Satz der Welt

Tracklist

  1. Tag meiner Geburt
  2. Heldengeschichte
  3. Nie allein
  4. Die einzige Heilung
  5. Ein Licht
  6. Der schlauste Satz der Welt
  7. Eine Sprache der Gewalt
  8. Alles ist gut
  9. Narzissen
  10. Das Glück
Gesamtspielzeit: 31:41 min

Im Forum kommentieren

Grizzly Adams

2024-11-07 19:27:55

Seit Jahren frage ich mich, was seine Musik eigentlich so besonders für mich macht. Eine richtige Antwort finde ich bis heute nicht. Denn nahezu alle Alben von Wolfgang Müllers Alben sind eher unscheinbar und unaufdringlich. Ist das seine große Stärke? Wahrscheinlich nicht, denn dann müsste er wohl deutlich bekannter und erfolgreicher sein.
Ich denke dann einfach, dass ein Liedermacher, noch dazu deutschsprachig, ohnehin nie eine große Fanbase erreichen wird. Und lass es gut sein. Und freue mich, dass er dennoch Musik macht, die mich mit jedem Album neu begeistert. Und gebe wieder eine hohe Wertung. 9/10
Und überhaupt ist er der Beste. :-)

Obrac

2024-11-04 17:07:52

Was für ein wunderschönes Album wieder. Wolfgang hat mittlerweile eine Art gefunden, einfach nur noch hinreißende Musik zu machen.

Arne L.

2024-10-21 16:15:52

Was für ein wunderbar sensibles und unaufgeregtes Album. Find ich toll und eine gute 7/10 passt für mich.

Grizzly Adams

2024-10-18 16:55:08

Ist das derselbe Wolfgang Müller, den ich schätze und liebe? Nein, auf diesem Album ist er ein anderer. Aber genauso gut. Ein Geschichtenerzähler, dem ich so unglaublich gerne zuhöre, der menschliche Zustände, Ängste und Charakterzüge genauso stark in 3-4 Minuten unterbringt wie ganze Lebensläufe. Ein Sänger ohne besonders eindrückliche Stimme. Aber mit eindrücklichen Texten. Bin - wieder mal - begeistert. Auch dieses Album wird mich die nächsten Wochen häufig begleiten. Und sehr wahrscheinlich bleiben. Ein Album, das ich auch in ein paar Jahren immer mal wieder höre. Hören möchte!

Armin

2024-10-16 20:43:02

Erster gehörter Song: ja, interessant.
Zweiter gehörter Song: puh, irgendwie fehlen da schon die Gitarren. Arg steril.
Dritter gehörter Song: wow, wow, wow!

Bin mal gespannt auf die weiteren Eindrücke.

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