Karate - Make it fit

Numero Group / Cargo
VÖ: 18.10.2024
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Heißer Scheiß

Manchmal sind es ganz feine taktile Details, die einem als Plattentests.de-Schreibkraft unmissverständlich zeigen, ob man gerade eher durchschnittliches Zeug oder aber richtig heißen Scheiß probehört. Wenn der Finger immer wieder ungeduldig über der Skip-Taste (oder dem entsprechenden Softkey) lauert, ist das eher ein schlechtes Zeichen. Wenn hingegen die einzige Regung das stetige Lauterdrehen nach jedem Song ist, dann ist gottverdammt nochmal so einiges auf dem richtigen Gleis. Moment, das ist noch maßlos untertrieben: Die neue Karate-Platte macht so viel gute Laune, dass sie eigentlich schon rezeptpflichtig ist. Erstaunlich daran ist, dass das Trio um Geoff Farina dafür weder Geheimzutaten, Kunstkacke noch Taschenspielertricks bemüht, sondern am Ende einfach nur Rock and Roll in absoluter Reinkultur abliefert.

Kernkompetenz der Band – und des Produzenten Andy Hong – ist es, einen hochenergetischen, dichten und vor allem furztrockenen Sound hinzulegen, der ähnlich wie ein guter Negroni aus genau drei gleich bemessenen Grundzutaten besteht: Rock, Blues und Jazz. Das müssen wir allerdings noch etwas genauer aufdröseln: Wenn wir von Rock reden, dann von durchaus gutgelauntem Schweinerock. Wenn wir von Blues reden, dann von richtigem Blues, wo auch schon mal eine anscheinend falsche Note reinrutscht, es aber vor Intensität nur so splatattert. Und wenn wir von Jazz reden, dann meinen wir nicht verkopftes Geknörmel, sondern das geschickte Spiel mit Rhythmen und Phrasierungen. Soundtechnisch wiederum wirkt das neue Karate-Album, als hätte man die Genialität der frühen Pixies mit der Wut von Mother Tongue und dem finsteren Blues von Gun Club gekreuzt, um das alles von Steve Albini aufnehmen und mischen zu lassen. Will heißen: Hier wird auf jeden unnötigen Effekt (Hall und Konsorten) weitgehend verzichtet. Wenn also der Drummer aufs Crashbecken drischt, dann kommt im Hörraum ein veritabler Luftzug an – und wenn Geoff Farina die Wimmerkralle auf seine Gitarrensaiten legt, dann britzelt es im Gehörgang, als hätte man in ebendiesen einen geziemenden Schluck Tonic Water gegossen. Ja, die Produktion geht nachgerade kackfrech nach vorne.

Man nehme den Opener "Defendants" – hier klingt Sänger Farina fast wie der junge Mick Jagger, dazu braten die Gitarren aufs Feinste, die Bassläufe purzeln wie gutgelaunte Flummis in den Raum, und die Drums lassen die Wände wackeln. "Liminal" hingegen ist eine schroff-räudige Bluesnummer, bei der – ebenso wie bei "Around the dial" - der Beweis angetreten wird, dass das Gitarrensolo als solches immer noch Berechtigung hat. Wenn nämlich der Ausführunde weiß, was er tut. "Three dollar bill" wagt Ausflüge in Richtung Funk und klingt hier und da fast schon wie eine abgemilderte Version der Red Hot Chili Peppers – und ganz am Schluss bringt das majestätische "Silence, sound" Elegie und Melancholie, tragisch-getragenen Gesang, aber auch herumirrende Akkordwechsel, wie sie einem rotzbesoffenen Max Bemis (Say Anything) gut zu Gesicht stünden. Wenn man die rund 35 Minuten dieses Albums hinter sich hat und so richtig schön zusammenprügelt im Ohrensessel sitzt, erschließt sich möglicherweise auch der Name der Band: Die Energie, die hier erzeugt wird, ist so immens, dass genau ein Handkantenschlag reicht, um den Gegner (zum Beispiel: schlechte Laune oder Antriebslosigkeit) niederzustrecken. Und zwar dauerhaft.

(Jochen Reinecke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Defendants
  • Cannibals
  • Liminal
  • Silence, sound

Tracklist

  1. Defendants
  2. Bleach the scene
  3. Cannibals
  4. Liminal
  5. Rattle the pipes
  6. Fall to grace
  7. Around the dial
  8. People ain't folk
  9. Three dollar bill
  10. Silence, sound
Gesamtspielzeit: 35:20 min

Im Forum kommentieren

Vive

2025-04-21 21:12:01

Hm! Ich hab’s probiert mit dem neuen Album, diverse anläufe, aber bei mir klickt das nicht. Ich mag bei den alten Songs die Melancholie, fast schon Traurigkeit, die einen übermannt.
Die neuen Songs sind einfach mehr so easy going, was die Stimmung betrifft. Macht sicher auch mehr Spaß, live zu spielen.

noise

2025-04-21 20:48:45

Na, ja, die Location die für mich in Frage kam (Gleis 22) fasst ja auch nur 250-300 People. Hätte ich mir denken können das es eng wird.

Mayakhedive

2025-04-21 19:27:56

Hmpf, tut mir leid für dich.
Ich hab mich schon damit abgefunden, eh immer alleine zu Konzerten zu fahren.
Find's aber fast überraschend, dass die ausverkauft sind. Freut mich für sie, die haben nach meinem Gefühl nie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient gehabt hätten.

noise

2025-04-21 18:58:36

Na dann viel Spaß Maya.
Ich war leider zu blöd. Nachdem mein Kumpel keine Zeit hatte versuchte ich noch den einen oder anderen für das Konzert zu überreden. Hatte einfach keine Lust alleine loszufahren.
Und was passiert: Ausverkauft, 2 Monate vorher.
Dumm gelaufen.

Mayakhedive

2025-04-21 18:26:53

@fakeboy

I feel you. Ich kann selbst noch gar nicht glauben, dass ich Samstag nach Dresden fahre.
Die Band hinter deren Output ich am längsten auf der Jagd war, digital ist da erst recht kurz alles zu haben. Hätte nie gedacht, die überhaupt je zu sehen.

Davon ab haben sie ein aktuelles Ista-Posting, dass folgendermaßen endet...

"Even bigger things to come later this year. Stay tuned."

Ich nehm gern noch ein Album, "Make it fit" war ein Comeback, wie es noch so langer Zeit nicht vielen gelingt.

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