
Touché Amoré - Spiral in a straight line
Rise / BMG / UniversalVÖ: 11.10.2024
Denkste!
Jeremy Bolm ist ein Denker. In seinem Kopf kreisen immerzu Gedanken, und das meistens auch sehr wild und unablässig. Da braucht es Techniken, das allzu aktive Hirn zu beruhigen, den Alltag zu meistern und trotzdem nach vorn zu schauen. Musik komponieren und Texten ist sein Rezept, das Kopfkarussell zu filtern, und so dürfen wir "Spiral in a straight line", den Titel des fünften Longplayers der kalifornischen Hardcore-Punks Touché Amoré, durchaus wörtlich nehmen.
In gesellschaftlich aufgewühlten, unrunden Zeiten, in denen Lügen und sogenannte Meinungen mehr Reichweite und Zuspruch erhalten als wissenschaftliche Fakten, ist es für viele schwierig geworden, auf gesicherten Linien durchs Leben zu schreiten. Es ist vielmehr ein Torkeln, ein Entlanghangeln geworden, Schritt für Schritt. Im Kontext des Openers "Nobody's" erinnerte sich Bolm an seine ersten Schritte als Songschreiber: an ein Demo, an welchem er gemeinsam mit Geoff Rickly von Thursday gewerkelt hatte und das er für die neue Platte mit den Bandkollegen finalisierte. Der Nuller-Jahre-Vibe ist da, das Schlagzeug pumpt fein zum markigen Riff.
Das baut ordentlich Druck auf, den "Disasters" kurzum aufnimmt und in seinem gekonnten Wechselspiel zwischen Hardcore-Punk, hektischen Breaks zum Refrain und spezieller Atmosphäre hintenraus auf die Spitze treibt. Auch "Mezzanine" pulverisiert in gut 180 Sekunden viel Energie. Besonders überzeugend ist "Hal Ashby" geraten, eine kleine Hymne, die Bolms vehementes Schreien weich auf post-punkend flirrendem Gitarrenteppich bettet, was umso eindrücklicher daherkommt. Wieder mal ein Song, der stellvertretend für das herausragende Songwriting steht, das schon "Stage four" zu einem Meilenstein des modernen Hardcore machte – neben der bewegenden, aufwühlenden Grundthematik natürlich.
Majorlabel im Rücken, Ross Robinson an den Reglern: mehr als Hinweise, dass Touché Amoré nicht mehr wirklich in ihre ursprüngliche Nische passen. Verglichen mit dem straighten Hardcore der ersten Alben ist die Musik auf "Spiral in a straight line" keineswegs radiokonform oder gar zahm, wirkt aber dennoch offener, facettenreicher. Hier sei die Gitarrenarbeit im tollen "Glue" genannt. Vor allem aber "Subversion (Brand new love)", die Kollaboration mit Lou Barlow: ein Stück, das einfühlsam startet und sich rasch zum pulsierenden Post-Punk emanzipiert.
Während viele Menschen mit sich selbst kämpfen, sich irgendwie durch den Alltag und die Krisen dieser Jahre hangeln, sind die Zeiten der kollektiven Pyro-Fackeln, der Punkrock-Revolution, derzeit leider überholt – wenn selbst die demokratische Mitte sich hilflos nach rechts orientiert. Touché Amoré jedoch denken im Traum nicht daran, die weiße Flagge zu hissen, ihre Songs entwickeln abermals den besonderen Zauber, die besondere Wucht. Da macht auch der über-hymnische Closer "Goodbye for now", den Julien Baker mit ihrer sanften Stimme beglückt, keine Ausnahme. Wie sehr das noch Gänsehaut zu stiften vermag, liegt sicherlich auch daran, ob wir sie mal zur Seite schieben: diese Gedanken.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nobody's
- Disasters
- Hal Ashby
- Subversion (Brand new love) (feat. Lou Barlow)
- Goodbye for now (feat. Julien Baker)
Tracklist
- Nobody's
- Disasters
- Hal Ashby
- Force of habit
- Mezzanine
- Altitude
- This routine
- Finalist
- Subversion (Brand new love) (feat. Lou Barlow)
- The glue
- Goodbye for now (feat. Julien Baker)
Im Forum kommentieren
Hierkannmanparken
2024-10-19 16:54:34
Wahnsinnig gutes Album mit vielen Hammer-Refrains. Und Songs wie Disasters machen Taylor Swift ihren Titel als Queen of Bridges streitig.
Mezzanine erwischt mich immer wieder kalt! :D
Einzelbewertungen bisher:
Nobody's 8/10
Disasters 8/10
Hal Ashby 8/10
Force of Habit 8/10
Mezzanine 8/10
Altitude 7/10
This Routine 9/10
Finalist 8/10
Subversion 7/10
The Glue 7/10
Goodbye for Now 8/10
Was ist eurer Meinung nach ein Hal Ashby Catastrophe? Hab nur herausgefunden, dass er, als es schon zu spät war, mit Krebs diagnostiziert wurde.
headup
2024-10-17 21:23:15
War gar nicht so bereit für neues von touche amore aber das Album is wirklich wieder sehr sehr gut geworden. Die haben auch noch nichts schlechtes rausgebracht. Starke Band....und ja, nächsten Februar zum 4.mal live...warum nicht
rainy april day
2024-10-13 01:10:59
Bin nach dem ersten Opener schwer angetan, auch wenn ich nur schwer durchgekommen bin, weil ich mehrmals den Opener noch mal anschmeißen musste, weil der es mir direkt richtig angetan hat.
Leech85
2024-10-11 20:11:47
Bei mir Highlights bisher Hal Ashby und Force of Habit.
Aber das ganze Album ist sehr stark, mal wieder. Sag ja die Jungs werden immer besser.
eric
2024-10-11 14:23:20
"Force of habit" find ich z.B. auch super stark, es war sehr schwer Highlights zu wählen.
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